Die Pille viel später danach

Gesundheitsministerium hat es nicht eilig mit der Rezeptfreiheit der Notfallverhütung

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach jahrelangen Debatten könnte die »Pille danach« nun endlich rezeptfrei werden. Doch Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) spielt weiter auf Zeit.

Das Gesundheitsministerium will der Freigabe von EllaOne (Wirkstoff: Ulipristalacetat) durch die Europäische Kommission möglichst bald folgen, gleichzeitig soll das zweite und preiswertere Mittel, PiDaNa (Wirkstoff Levonorgestrel) ebenfalls freigegeben werden. Beide Präparate dienen der Notfallverhütung. Nicht einmal die Möglichkeit, bei Verhütungsmitteln einen nationalen Sonderweg zu gehen, wird noch erwogen. Dennoch herrschte im Hause Gröhe wochenlang Funkstille in dieser Sache, auch jetzt gibt es noch keinen genauen Termin.

Allerdings geschieht die Umwandlung eines bisher rezeptpflichtigen in ein rezeptfreies Medikament nicht von alleine. Für Levonorgestrel müsste auch die Arzneimittelverschreibungsverordnung geändert werden. Ein Entwurf, der beide Medikamente abdeckt, wurde am Mittwoch ausgesandt, binnen 24 Stunden müssen nun Hersteller und Verbände dazu Stellung nehmen. Auch Apotheken müssen sich auf die Umstellung vorbereiten.

Die Fachärzte halten eine medizinisch kompetente und vertrauliche Beratung in der Apotheke in den meisten Fällen für unmöglich und lehnen die Rezeptfreiheit deshalb weiter ab. Unter anderem müsse auch geklärt werden, wie nach dem medikamentös verschobenen Eisprung im Zyklus weiter verhütet werden soll - das könnten Apotheker nicht leisten. Nun werden Gynäkologen und Fortpflanzungsmediziner demnächst - angeblich noch in dieser Woche - aufgefordert, das Beratungsangebot der Apotheker mit vorzubereiten. Ihre Verbände wollen sich nach neuesten Informationen der Mitarbeit nicht verweigern. Ist hier eine allgemeine Lösung gefunden, muss sie noch bundesweit alle Apotheken erreichen.

Jungen Frauen unter 20 Jahren sollen die Kosten für die Notfallverhütung auch nach einer Freigabe - und zwar unbürokratisch - erstattet werden, hieß es am Montag aus dem Gesundheitsministerium. Reguliert werden müsste auch die nun mögliche Werbung seitens der Hersteller und Apotheken, damit nicht zu leichtfertigem Umgang mit den Präparaten angeregt würde.

Diese Arbeiten wurden jedoch vom Bundesgesundheitsministerium mindestens bis zum 5. Januar noch nicht einmal begonnen, geschweige denn, dass ein Zeitplan für das Vorgehen aufgestellt wurde. Das ergab die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Am 7. Januar war die EU-Kommission erwartungsgemäß der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde von Ende November gefolgt. Spätestens dann hätte im Ministerium die Vorbereitung beginnen können.

Auch die Vertreter der Regierungsparteien im Gesundheitsausschuss des Bundestages verschleppten die Anträge zur Freigabe der »Pille danach« seitens der LINKEN und Grünen monatelang - bis zur Sitzung am Dienstag. Dort wurden sie mit der Begründung abgelehnt, dass sich das Ministerium nun kümmern würde. Die geplante zweite und dritte Lesung von Oppositionsanträgen am Donnerstag wurde zunächst verschoben, um sie im Fall weiterer Untätigkeit des Ministeriums in einigen Wochen wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

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