Bürgermeister mit Stasi-Stigma gescheitert

LINKE-Kandidat Fred Fischer verlor am Sonntag die Wahl in Perleberg gegen eine Allianz aller anderen Parteien

Noch stellt die LINKE in Brandenburg 15 hauptamtliche Bürgermeister. Den Posten in Perleberg hat sie aber am Sonntag verloren.

Diesmal hat der ehemalige Fallschirmjäger Fred Fischer keine Punktlandung hinbekommen. Seit acht Jahren ist er Bürgermeister der Stadt Perleberg. Am Sonntag stellte er sich zur Wiederwahl - und erhielt nur 45,5 Prozent. Damit unterlag er seiner Konkurrentin Annett Jura, die 54,5 Prozent bekam und am 2. März seine Nachfolge antreten wird. Aber was heißt eigentlich nur 45,5 Prozent? Gegen eine »All-Parteien-Koalition« sei das ein gutes Ergebnis für Fischer, betont am Montag die Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann (LINKE). Schließlich wusste Jura CDU, SPD, FDP und Grüne sowie den Kreisbauernverband hinter sich - eine Front, die der Papierform nach ein Ergebnis von mindestens 70 oder 80 Prozent nahegelegt hätte.

Tackmann war am Sonntagabend bei der Wahlparty ihrer Partei im Hotel »Stadt Magdeburg« dabei. Die LINKE hatte ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet und einen erneuten Sieg ihres Bewerbers Fred Fischer für möglich gehalten. Nach der Niederlage gab es enttäuschte Gesichter und es sind Tränen geflossen.

2006 war Perlebergs Bürgermeister Manfred Herzberg (für LINKE) nach nicht einmal zwei Jahren im Amt überraschend verstorben. Fred Fischer hatte bei der Bürgermeisterwahl 2004 als Einzelbewerber mit 916 Stimmen einen Achtungserfolg errungen und so die Aufmerksamkeit der Sozialisten erregt. Die LINKE knüpfte alsbald Kontakte zu ihm und schickte ihn 2007 als ihren Kandidaten ins Rennen. Fischer setzte sich gegen den Ordnungsamtsleiter Hans Rothbauer durch, der gemeinsam von SPD und CDU aufgestellt worden war.

Der durchtrainierte Sohn eines Fliegeroffiziers war Kommandeur von Aufklärern und Fallschirmjägern der NVA und ist selbst mehr als 200 Mal abgesprungen. Nach der Wende arbeitete Fischer als Geschäftsführer von Autohäusern und als Berater der Verbraucherzentrale. Bis er Bürgermeister wurde, leitete er das deutsch-polnische Verbraucherinformationszentrum in Frankfurt (Oder). Im Rathaus wirkte er zum Wohle Perlebergs. Vor seiner Zeit habe es ein Haushaltsdefizit, eine kaputte Feuerwehr und eine mäßig organisierte Verwaltung gegeben, erinnert Fischer. Nun sei der Haushalt ausgeglichen und alles bestens aufgestellt. Der 57-Jährige spricht von einer »spitzenmäßigen Bilanz«. Doch die Wirtschaft habe ihn nicht gewollt, weil er links sei.

»Fred Fischer hat sehr viel für die Stadt geleistet«, lobt die Abgeordnete Tackmann. Trotzdem gebe es Probleme, und zwar auf der Ebene der Kommunalpolitik. Da werde unter der Gürtellinie angegriffen, statt sachlich zu debattieren. Die Auseinandersetzungen gipfelten in der zeitweiligen Suspendierung des Bürgermeisters im Jahr 2012. Die Begründung für diesen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung: Er wurde im Zusammenhang mit seinem Dienst in einer Spezialeinheit als Inoffizieller Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit geführt. Nach seinen eigenen Angaben wusste er davon jedoch nichts. Es liegt auch keine Verpflichtungserklärung vor. Fischer wehrte sich juristisch gegen seine Abberufung. Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts brachte ihn 2013 zurück an seinen Schreibtisch.

Aber wie immer in solchen Fällen blieb etwas hängen. Fischer war stigmatisiert, sagt Tackmann. Im Wahlkampf habe die Gegenseite gebetsmühlenartig behauptet, Fischer sei nicht mehr tragbar. Das Wahlergebnis müsse man akzeptieren, es aber richtig analysieren, denkt Tackmann. Der Wahlsieg Juras bedeute noch keinen Neuanfang. Auch die neue Bürgermeisterin stehe vor dem Problem eines in zwei Lager gespaltenen Stadtparlaments. Zu einem Neuanfang gehöre, wieder zu einem fairen Umgang miteinander zu finden.

Fischer ging am Montag wie gewohnt ins Rathaus und hatte dort einen Termin nach dem anderen. »Ich habe noch keinen festen Plan für meine berufliche Zukunft«, erklärt er. »Vermutlich wird es wieder eine Beratertätigkeit werden, was genau, kann ich noch nicht sagen.«

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