Minister drängen auf Dresdner OB-Posten

Mit Eva-Maria Stange kandidiert nun ein weiteres Regierungsmitglied

  • Michael Bartsch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 7. Juni wird in Dresden der neue OB gewählt. Mit Eva-Maria Stange (SPD) und Markus Ulbig (CDU) wollen gleich zwei amtierende sächsische Minister an die Spitze des Dresdner Rathauses.

Das ehemalige Schloss des Hygieneartikel-Millionärs Karl August Lingner hatte sich die Wählergemeinschaft »Gemeinsam für Dresden« ausgesucht, um ihre Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl am 7. Juni zu präsentieren. Was längst gemunkelt wurde, ist nun offiziell. Die bisherige Wissenschafts- und Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) soll gegen ihren Kabinettskollegen Innenminister Markus Ulbig (CDU) und den amtierenden Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) antreten. Die Wahl ist notwendig geworden, weil Amtsinhaberin Helma Orosz (CDU) aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aufgibt.

Anfang des Jahres hatte eine Gruppe um den Kultursoziologen Prof. Karl-Siegbert Rehberg von der TU Dresden die Initiative ergriffen, überparteilich eine Kandidatin zu nominieren. Seit den Kommunalwahlen 2014 gibt es zwar im Dresdner Stadtrat eine klare Mehrheit von LINKEN, SPD, Grünen und Piraten. Eine ebenso klare Verständigung auf einen Kandidaten aber kam bislang nicht zustande. Die Bürgerinitiative hat sich jedoch der Unterstützung dieser Fraktionen versichert. Die erforderlichen 250 Unterstützerunterschriften kamen schnell zusammen und stammen vorwiegend aus dem Kultur- und Wissenschaftsmilieu.

Die promovierte Pädagogin und Erziehungswissenschaftlerin Eva-Maria Stange ist weit über Sachsen hinaus bekannt. In der DDR war sie schon 1988 aus der SED ausgetreten, durfte der SPD trotzdem erst zehn Jahre später beitreten. Sie führte zunächst die GEW in Sachsen, bevor sie 1997 zur Bundesvorsitzenden der Bildungsgewerkschaft gewählt wurde. In der ersten schwarz-roten Koalition in Dresden übernahm sie 2006 das Amt der Wissenschafts- und Kunstministerin. Nach fünf Jahren als Landtagsabgeordnete zog sie bei der Zweitauflage dieser Koalition 2014 erneut ins Ministerium ein. Während der Abgeordnetenzeit kümmerte sie sich aber auch sehr aktiv um ihren Wahlkreis im Dresdner Westen.

Nähme man allein den Selbstanspruch Dresdens als Kunst- und Wissenschaftsstadt, so müsste Frau Stange als hohe Favoritin gelten. In den nur dreieinhalb Jahren ihrer ersten Amtszeit hatte sie sich bei den Forschungsinstituten und Hochschulen eine hohe Reputation erworben und überraschend auch große Sensibilität gegenüber der Kunst- und Kulturszene entwickelt. Von ihren Unterstützern wird sie vor allem wegen ihrer kommunikationsfreudigen Art und ihres Politikstils gelobt, so unter anderem vom Studenten Eric Hattke. Rehberg verspricht sich davon auch eine »neue politische Kultur« im zerstrittenen Dresden. Der ungewöhnliche und häufige Beifall auf der Pressekonferenz unterstrich die Stange entgegengebrachte Anerkennung.

Der langjährige Rektor der Evangelischen Hochschule Prof. Ralf Evers betonte das bisherige Engagement der Kandidatin für eine soziale Stadt. Zugleich verspricht er sich einen Aufbruch aus der »Selbstgenügsamkeitsblockade« Dresdens. Der frühere Umweltdezernent Klaus Gaber von den Bündnisgrünen billigte Stange auch Führungsstärke und Verwaltungserfahrung zu.

Im anstehenden Wahlkampf will die Kandidatin alle SPD-Parteiämter ruhen lassen. Eine Kollision mit ihrem derzeitigen Ministeramt sieht sie nicht. Am Kabinettstisch habe sie zum Konkurrenten Ulbig und zu Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ein »menschlich anständiges Verhältnis«.

In der Kulturszene Sachsens wird Stanges absehbarer Abgang schon jetzt bedauert. Die schwere Aufgabe, in einer durch die Pegida-Demonstrationen tief gespaltenen Stadt wieder Frieden zu stiften, unterstrich die Bewerberin mit einer Doppelagenda. Man müsse einerseits das offene, tolerante Gesicht Dresdens zeigen, andererseits sich aber von allen rassistischen und ausgrenzenden Äußerungen distanzieren. Mit Pegida-Anhängern würde sie jederzeit reden, aber für Gespräche mit der Führung gebe es mit Blick auf deren Äußerungen »keine Grundlage«.

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