Musikalischer Scherbenhaufen

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Das letzte Studioalbum der Politrocker Ton Steine Scherben von 1981 war laut Bassist Kai Sichtermann »eine Explosion an Kreativität« und ein »Fest an Experimentierfreudigkeit«, beflügelt von der »obligatorischen Whisky-Flasche«, Koks, Opium-Tee, LSD und »magischen Pilzen«. Die anschließende Tour brach der Band jedoch finanziell endgültig das Genick - auch weil viele Linke die Gruppe zwar »als politische Musikbox benutzten, ihnen aber nicht mal ein Schmalzbrot gönnten«, wie Rio-Reiser-Biograf Hollow Skai schrieb. Nach der Band-Auflösung und vor allem nach Reisers Tod (1996) begann ein Disput um Songrechte und die Deutung der Rockepisode: Waren die »Scherben« ein Haufen austauschbarer Statisten, gruppiert um die genialische Lichtgestalt Rio? Oder war Reiser nur Erster unter Gleichen, in einem revolutionären Musikkollektiv, das gemeinsam die Höhen und vor allem Tiefen eines zum Scheitern verurteilten Gruppenxperiments durchlebte?

Wenn an diesem Freitag die Überlebenden der Scherben-Kommune im Kesselhaus gastieren (erstmals seit den 80er Jahren auch mit dem Original-Gitarristen und »musikalischen Kopf« der Band, R.P.S. Lanrue), wird eindeutig der kollektive Gedanke betont. »Macht kaputt, was euch kaputt macht«, »Der Traum ist aus« oder »Keine Macht für niemand« werden dann von Josie Ebsen oder Nico Rovera intoniert. Das heißt nicht, dass der begnadete politische Poet Rio Reiser austauschbar wäre. Aber er war eben nicht alles, und wer weiß, ob man ohne die Hilfe seiner Mitstreiter heute seinen Namen kennen würde. tri Foto: Robin Hinsch

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