Werbung

Dienstgeheimnis oder Meinungsfreiheit

Fliegerhorst Büchel - erneut Anlass für Rechtsstreit

  • Jochen Bülow, Koblenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Ist Meinungsfreiheit wichtiger als militärische Geheimnisse? Der Aktivist Hermann Theisen klagt gegen ein Verbot, vor dem Fliegerhorst Büchel Flugblätter gegen Atomwaffen zu verteilen.

Sommer 2014, vor den Toren des Fliegerhorstes Büchel: Hermann Theisen verteilt Flugblätter gegen Atombomben, ruft Bundeswehrsoldaten dazu auf, die Öffentlichkeit über Sicherheitsrisiken und Art und Zahl der dortigen Atombomben zu informieren. Büchel ist Sitz des Jagdbombergeschwaders 33 mit seinen Tornados. Auch wenn es keine offizielle Bestätigung gibt: Die Atombomben sind auch in Büchel, allerdings wegen des Atomwaffensperrvertrages nicht unter deutscher Aufsicht. Sagt jedenfalls die NATO: Die Befehlsgewalt über die weltweit geächteten Massenvernichtungswaffen üben angeblich US-Amerikaner aus, aber Deutschland stellt im Rahmen der »Nuklearen Teilhabe« Flugzeuge und Mannschaften, die im Kriegsfalle die Waffen einsetzen sollen.

Damit will sich Hermann Theisen nicht abfinden: Seit Jahren organisiert der Friedensaktivist in der Eifel Demonstrationen und Veranstaltungen gegen die Bomben und die »Nukleare Teilhabe«. Und stand deswegen mehrfach vor Gericht.

Jetzt aber klagt er selber: Die Kreisverwaltung Cochem-Zell hatte ihm vergangenen Sommer untersagt, die Flugblätter zu verteilen. Man erkannte in der Aufforderung an Bundeswehrsoldaten, die Öffentlichkeit zu informieren, einen Aufruf zu Straftaten, nämlich dem Verrat von Dienstgeheimnissen.

Theisen verteilte die Aufrufe trotzdem - und tatsächlich sah es bei der Verhandlung in Koblenz so aus, als stünde das Flugblattverbot auf wackligen Beinen. Ein Urteil wird erst in etwa zwei Wochen ergehen - aber aus den Fragen des Gerichts an die Kreisverwaltung ging hervor, dass die Richter das Verteilverbot für rechtswidrig erklären werden.

Allerdings gibt es einen Schönheitsfehler: Voraussichtlich wird das Gericht nicht die Frage beantworten, ob Meinungsfreiheit und das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit über Waffen, die es nach Völkerrecht gar nicht in Deutschland geben dürfte, schwerer wiegen als Dienstgeheimnisse der Militärs. Wahrscheinlicher ist, dass die Verbotsverfügung aus formalen Gründen aufgehoben wird: Im Prozess musste die Verwaltung zugeben, eine Abwägung des Grundrechts und der Dienstgeheimnisse gar nicht vorgenommen zu haben. Und schon gar nicht dachte sie daran, ob ein Geheimnis, das keines ist, verraten werden kann. Denn, darauf wies Theisens Anwalt nachdrücklich hin: »Atomare Abschreckung lebt ja gerade davon, dass sie bekannt ist. Wer nicht bekannt macht, dass er über Atomwaffen verfügt, kann auch nicht abschrecken«.

Ein Erfolg Theisens vor dem Verwaltungsgericht ist also wahrscheinlich. Mittlerweile haben aber siebenmonatige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz ebenfalls zu Ergebnissen geführt: Demnach liegt mit dem Aufruf zum Verrat von Dienstgeheimnissen eine Straftat vor, das zuständige Amtsgericht in Cochem soll nun die Anklage zulassen. Die Strafverfolger wollen festgestellt haben, dass Theisens insgesamt fünf Flugblätter verteilt habe. Und in dieser Verhandlung könnte tatsächlich die Frage geklärt werden: Gelten Meinungsfreiheit und Informationsrecht auch, wenn es Bundeswehr und Staatsanwaltschaft nicht passt - oder sind Dienstgeheimnisse unter allen Umständen geheim zu halten?

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal