Argwohn und Abwanderung

Die deutsch-griechische Freundschaft ist angespannt

Auf den ersten Blick fallen Griechen in Deutschland nicht sonderlich auf. Rund 280.000 von ihnen leben hier. Längst nicht mehr als »Gastarbeiter« - doch mit Beginn der Finanzkrise sind Feindseligkeiten neu aufgeflammt.

Auf den ersten Blick fallen Griechen in Deutschland nicht sonderlich auf. Rund 280 000 griechische Staatsbürger leben hierzulande, viele von ihnen bereits seit Jahrzehnten. Längst sind sie keine »Gastarbeiter« mehr, wie in Zeiten der alten Bundesrepublik. Linda Zervakis, Tochter griechischer Einwanderer, ist seit fünf Jahren Tagesschausprecherin, Sokratis und Kyriakos Papadopoulos heißen die aktuellen griechischen Stars in der Bundesliga.

Doch mit Beginn der Finanzkrise sind alte Feindseligkeiten gegenüber Hellas wieder aufgeflammt. Zuhauf gibt es Medienbeiträge, die darauf abzielen, dass Deutschland die Griechen aushalten müsse. »Mit dem Absturz der griechischen Wirtschaft wurde in den deutschen Medien vielfach eine dazugehörige Mentalität aus dem Hut gezaubert«, sagte Hans Bickes, Sprachwissenschaftler an der Uni Hannover, gegenüber »nd«. »Die Vorurteile über die faulen Südländer, die über ihre Verhältnisse gelebt hätten, wurden wiederbelebt.« In einem Forschungsprojekt wertete Bickes die Berichterstattung über die Entwicklung in Griechenland systematisch aus. Auch wenn längst andere südeuropäische Länder von der Wirtschaftskrise betroffen seien, so trügen für viele deutsche Medien die Griechen eine Hauptschuld an der Misere, erklärte der Germanist.

Argwohn kam in Deutschland auch auf, als im Zuge der Krise vermehrt das Gerücht die Runde machte, reiche Griechen würden ihrem Land den Rücken kehren, um ihr Kapital in Immobilien deutscher Großstädte anzulegen. Von dem Betongold versprächen sie sich einen sicheren Hafen, hieß es. Doch rasch wurde diesem angeblichen Trend widersprochen. Zwar würden wohlhabende Griechen die eine oder andere Wohnung kaufen, doch einen Trend, wie es die Berichterstattung suggerierte, gebe es keinesfalls, hieß es etwa auf dem Portal des Finanzunternehmens Goldman Morgenstern und Partners.

Unstrittig ist dagegen eine vermehrte Zuwanderung aus Griechenland nach Deutschland, die seit Beginn der Wirtschaftskrise in dem Mittelmeerstaat eingesetzt hat. Nicht nur die griechisch-orthodoxe Kirche verzeichnet einen spürbaren Anstieg der Gläubigen im Berliner Umland. Auch das Statistische Bundesamt vermeldet seit 2009 einen Wanderungsüberschuss - wonach mehr Griechen nach Deutschland ziehen als abwandern. 2013 betrug das Plus 18 500 Personen und fiel ein wenig geringer aus als in den Jahren zuvor.

Die neue Welle der Einwanderung hat aber bei weitem nicht die Dimension von einst, als nach dem Anwerbeabkommen zwischen Bonn und Athen von 1960 Hunderttausende Griechen die Gelegenheit nutzten, um in Westdeutschland zu arbeiten. 1973 lebten in der Bundesrepublik rund 400 000 Griechen.

Unter ihnen waren auch Menschen, die wegen der Militärdiktatur, die von 1967 bis 1974 andauerte, auswanderten. Auch die DDR nahm Flüchtlinge auf. Anfangs waren dies vor allem Linke, später auch Intellektuelle der bürgerlichen Mitte. Nach dem Ende der Junta kehrten viele dieser Migranten wieder nach Griechenland zurück. In der DDR lebten 1980 noch 1620 Griechen, bis Ende 1989 sank ihre Zahl auf 482.

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