nd-aktuell.de / 13.02.2015 / Politik / Seite 8

Ein Geburtstag, den keiner feiert

Der Separatstaat Nordzypern, vor 40 Jahren von der Türkei erzwungen, bleibt ein Phantom

Roland Etzel
Zwar ist es ein Jubiläum, aber gefeiert wird kaum, dass heute vor 40 Jahren der türkische Separatstaat Nordzypern proklamiert wurde. Zu mager fällt die Bilanz aus.

Zypern ist geteilt zwischen ethnisch griechischen und ethnisch türkischen Inselbewohnern, sogar ziemlich rigoros, so dass von der Grenze, die die Insel zerschneidet, gern als von Europas letzter Mauer geredet wird. Und das in einem Mitgliedsland der EU! Denn aufgenommen wurde 2004 eine Republik Zypern als ganze Insel - womit allerdings die Tatsache ignoriert wurde, dass es vor elf Jahren keinen einheitlichen zyprischen Staat gab und bis heute nicht gibt.

Auf 37 Prozent der Inselfläche, das sind knapp 3400 Quadratkilometer, wurde am 13. Februar 1975, heute vor 40 Jahren, der »Türkische Bundesstaat von Zypern« proklamiert, später umbenannt in »Türkische Republik Nordzypern« (TRNZ). Es war der vorläufige Endpunkt unter einen kriegerischen Konflikt, der derzeit faktisch eingefroren ist und bei dem keine unmittelbare Gefahr besteht, dass er wieder ausbrechen könnte. Dass er gelöst ist, davon kann allerdings auch keine Rede sein.

Der Proklamation vorausgegangen waren 14 Jahre Unabhängigkeit von Großbritannien, in denen es immer wieder gewalttätige Konflikte zwischen der griechischen Mehrheit und den knapp 20 Prozent Inseltürken gab. Der Gründungspräsident des Landes, Erzbischof Makarios III., war nicht in der Lage, die Kluft zwischen den Volksgruppen zu schließen, was aber am wenigsten auf sein Versagen zurückzuführen war. Die verfeindeten »Mutterländer« Griechenland und Türkei verfielen in den 1970er Jahren zunehmend auf Zypern, um ihre Rivalitäten auszutragen. Zypern war gewissermaßen ihre kleine »Kriegsspielwiese«.

Dem in Athen regierenden Militärregime war der Grieche Makarios dafür nicht willfähriges Werkzeug genug, und so stürzten sie ihn im Juli 1974 mit Hilfe seiner eigenen rein griechischen Palastgarde. Es dauerte dann aber nur Tage, bis die Türkei mit Macht zurückschlug, 40 000 Soldaten anlandete und im Norden ein reichliches Drittel der Insel besetzte und abgrenzte. Die Trennlinie verläuft seitdem auch mitten durch die Hauptstadt Nikosia. Daran änderte sich auch nichts, nachdem die Putschisten infolge internationalen Drucks nach wenigen Monaten hatten abtreten müssen und Makarios wieder Präsident war.

Von türkischer Seite in Ankara war diese Teilung nie als Provisorium gedacht. Zehntausende Festlandtürken, vorwiegend aus armen Regionen Anatoliens, wurden in den Folgejahren im Inselnorden angesiedelt. Parallel lief eine ethnische Säuberung, wurden doch etwa 200 000 Inselgriechen von ihrem Besitz im besetzten Norden verdrängt und in den Süden vertrieben.

Nordzypern aus ihrer Sicht nie wieder »griechisch« beherrschen zu lassen, ist seitdem Staatsdoktrin aller türkischen Regierungen, ob Militärregime oder sozialdemokratisch orientiert. Die Blütenträume der Türken reiften allerdings nicht, weder jener in Ankara noch der in Zypern. Zwar erwies sich ihre Spekulation als richtig, dass die USA nur mäßig protestieren und sich recht schnell für den ihnen »wertvoller« erscheinenden der beiden NATO-Partner entscheiden würden; eben Ankara und nicht Athen. Es gab demzufolge im UN-Sicherheitsrat nur eine windelweiche Aufforderung an die Türkei zum Rückzug ihre Truppen sowie zur Repatriierung der Flüchtlinge. Diese Aufforderung wird von der Türkei bis heute folgenlos ignoriert. Die EU stellte sich zwar auf die Seite ihres Mitgliedes Griechenland bzw. des Beitrittskandidaten (Griechisch)-Zypern. Das aber änderte nichts an den militärischen Fakten.

Die Früchte des vermeintlichen türkischen Triumphs fielen in der Folgezeit jedoch immer bescheidener aus. Nordzypern hat heute vor allem deshalb keinen Grund zu feiern, weil der Inselteil auch nach 40 Jahren nicht mehr als ein vom Süden abgeschnittenes Stück Land darstellt. Entgegen den Hoffnungen der Türkei hat die EU-Beschlusslage gegen die türkische Invasion von 1974 bis heute keinerlei Aufweichung erfahren. Auch Russland mit traditionell starken Bindungen an Griechenland und Griechisch-Zypern zeigt der TRNZ die kalte Schulter. Der Rest der Welt hütet sich, das heiße Eisen Nordzypern ohne Not anzufassen, zumal dort nichts Außergewöhnliches zu holen ist - und so gibt es nach 40 Jahren nur einen einzigen Staat, der die TRNZ diplomatisch anerkannt hat: die Türkei.

Eine Reise nach Nordzypern ist praktisch nach wie vor nur über die Türkei möglich. Wer als europäischer Tourist aus dem Süden einen Abstecher in den Norden plante, musste mit Wiedereinreiseverbot rechnen - und unterließ es demzufolge. Dazu kam: Die in der TRNZ angesiedelten Festlandtürken tun sich schwer darin, die »verlassenen« Ländereien so profitabel zu bewirtschaften wie die vertriebenen Griechen. Ankara muss seine Politik der Stärke in Zypern seit Jahr und Tag hoch subventionieren. Zuletzt war es jährlich umgerechnet etwa eine halbe Milliarde Euro - was »Landesvater« Recep Tayyip Erdogan zunehmend nervte. Als der türkische Ministerpräsident 2011 versuchte, den Rotstift anzusetzen, gab es erstmals massive Demonstrationen in der TRNZ gegen Ankara. 10 000 Menschen riefen Sprechchöre gegen den Führer des »Mutterlandes«. Erdogan war außer sich vor Wut: »Erst unser Geld in die Tasche stecken und dann ohne jede Scham demonstrieren!« Er nahm die Streichungen dennoch zurück.

Auch innerhalb der Mini-Republik brechen Konflikte auf, die der türkischen Umsiedlungspolitik geschuldet sind. Unter den autochthonen Inseltürken gärt es. Sie sind unter den insgesamt etwa 400 000 Nordzyprern inzwischen eine Minderheit und fühlen sich von den Zugewanderten an den Rand gedrängt.

Trotz der bescheidenen Zukunftsaussichten der TRNZ steht eine Wiedervereinigung in Zypern nicht auf der Tagesordnung. Die Inselzyprer haben sich schon vor elf Jahren in einem Referendum dagegen ausgesprochen, sollten nicht zuvor die EU-Forderungen erfüllt werden. Das war vor dem zyprischen Banken-Crash im März 2013 infolge der Griechenland-Krise. Seitdem hat auch der Süden recht elementare wirtschaftliche Probleme, die jeden Gedanken an eine finanziell teure Wiedervereinigung ins Reich der Illusion verschieben.

Und dann ist da noch Erdogan, in dessen großtürkische Vision eine Aufgabe Zyperns einfach nicht passt - koste es, was es wolle.