Die Rückkehr der Warzenschweine

USA besetzen alte Stellungen des Kalten Krieges in Deutschland neu und Russland hat Raketen an Polens Ostgrenze aufgestellt - ein Déjà-vu?

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Die alte Bundesrepublik läge - militärisch gesehen - aktuell längst in Polen. Wäre da nicht die NATO-Russland-Akte. Also kehren die USA zunächst zu angestammten Standorten in Deutschland zurück.

Die US-Luftwaffe wird bis zum Wochenende zwölf A-10 »Thunderbolt«-Flugzeuge samt 300 Mann von der Davis Monthan Air Force Base in Arizona auf die Air Base Spangdahlem verlegen. Da kommen heimatliche Gefühle auf, denn zehn der Maschinen waren Teil der ehemaligen 81. Fighter Squadron, die bis 2013 auf dem US-Stützpunkt in Rheinland-Pfalz stationiert war.

Die A-10 hat ob ihres Aussehens den Spitzname Warthog (Warzenschwein). Sie ist ein Erdkampfflugzeug mit zweifelhaftem Ruf. Hoch gelobt ob seiner Feuerkraft und relativen Beschussunempfindlichkeit, ist das Flugzeug dennoch nicht nur beim Feind gefürchtet. Es gibt zahlreiche Beispiele, dass A-10-Piloten bei Luftnahunterstützungseinsätzen auch eigene Truppen oder die von Verbündete unter Feuer nahmen.

Eigentlich stehen die »Thunderbolts« auf einer Air-Force-Liste auszusondernder Waffensysteme, doch auch die USA stoßen an pekuniäre Grenzen ihrer Rüstungswünsche.

Vorerst sollen die Maschinen für zehn Monate in der Eifel bleiben. Ihre Aufgabe ist - wie zu Zeiten des Kalten Krieges - Abschreckung. Man will Kraft und Entschlossenheit demonstrieren auf dem alten Kontinent und Partnerschaften verstärken, sagte US-Luftwaffen-Generalleutnant Tom Jones, der bislang eigentlich für US-Interessen auf dem afrikanischen Kontinent zuständig war.

Partnerschaften Richtung Osteuropa haben die »Warzenschwein«-Reiter schon vor Jahren gepflegt. Sie waren in der Tschechischen Republik, in Bulgarien und Rumänien. In Afghanistan, Irak und Syrien haben sie Kampferfahrungen gesammelt. Nun orientiert man sich in Richtung Polen und baltische Staaten. Doch da stehen ihnen auf russischer Seite durchaus moderne Waffensysteme gegenüber. So muss man davon ausgehen, dass die US-Air-Force demnächst weitere Jets nach Europa schaffen wird, die der A-10-Staffel im »Notfall« Deckung geben könnten.

Auf den »Notfall« vorbereitet sind auch US-Bodentruppen. Nachdem die ihre Abrams-Panzer bis zum April 2013 ganz aus Europa zurückgezogen hatten, sind die ersten Ungetüme wieder da. Seit Jahresbeginn hat man sie im bayrischen Grafenwöhr ausgeladen und in Bataillonsstärke gefechtsbereit gemacht. Auch sie orientieren sich Richtung Osten.

Der Regierung in Warschau wären sie willkommen und rein militärstrategisch wäre Polen heute auch die Bundesrepublik des Kalten Krieges. Doch noch nehmen die USA Rücksicht auf NATO-Verbündete. Deutschland, Frankreich und einige andere Alliierte halten an der NATO-Russland-Grundakte fest. Darin verzichten beide Seiten auf die Androhung von Gewalt gegeneinander. Das westliche Bündnis hat zudem versprochen, weder Atomwaffen noch Truppenverbände von signifikanter Größe dauerhaft in den neuen Mitgliedsstaaten der NATO in Mittel- und Osteuropa zu stationieren.

Der Ausweg: Die NATO will Waffen, Gerät, Munition sowie Betriebsstoffe »nach vorn« schaffen und daheim Mannschaften der ganz schnellen »Speerspitze« in erhöhte Bereitschaft versetzen. Das soll - so die Verabredung innerhalb der NATO - vor allem von den sogenannten Schnellen Kräften der Bundeswehr in Deutschland sowie vom im polnischen Szczecin stationierten Stab des multinationalen Korps Nord-Ost organisiert werden.

Die USA machen nebenher ihr eigenes Ding. Auch in der Ukraine. So werden Soldaten der 173-Airborne-Brigade im März mit dem Training ukrainischer Soldaten beginnen, die derzeit im Osten gegen die sogenannten pro-russischen Separatisten kämpfen. Der US-Oberbefehlshaber in Europa, Generalleutnant Ben Hodges, teilte am Mittwoch mit, dass - unabhängig von möglichen US-Waffenlieferungen an Kiew - ein US-Bataillon drei entsprechende Einheiten der ukrainischen Nationalgarde drillen wird. Stattfinden soll das auf dem größten ukrainischen Übungsfeld bei Lwiw im Westen der Ukraine

Entsprechende Ausbildungsanstrengungen gibt es für die Separatisten auf russischer Seite. Zudem ist sich Moskau sicher, dass man - zusätzlich zu bisherigen Anstrengungen - mehr und rascher moderne Waffen samt »freiwilligen« Bedienungseinheiten in die Ostukraine bringen kann. Jenseits dieses Konflikts droht ein neues, vor allem konventionelles Wettrüsten. Für die Modernisierung der russischen Streitkräfte sind bis 2020 rund 20 Billionen Rubel (270 Milliarden Euro) vorgesehen. Im vergangenen Jahr hat Moskaus Armee nach eigenen Angaben 142 Kampfjets und 135 Hubschrauber erhalten. Die Marine gliederte vier neue U-Boote sowie 15 Schiffe und Boote ein. Das Heer bekam 19 Fla-Raketenkomplexe, 590 Panzer und Schützenpanzer. Dazu kommen weitere auch nuklear zu bestückende Iskander-M-Raketenkomplexe. Einige stehen bereits im Westlichen Militärbezirk und in der Kaliningrader Enklave.

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