nd-aktuell.de / 16.02.2015 / Politik

FDP und Grüne warten auf Anruf

Bürgermeister Scholz braucht künftig einen Koalitionspartner / SPD-Fraktionschef Oppermann sieht Sozialdemokraten nun bundesweit im Aufwind / Grünen-Politikerin Künast: Erfolg eines »männlichen Doubles von Angela Merkel« / Rechtspartei AfD streitet weiter

Update: 17.15 Uhr: SPD-Chef Sigmar Gabriel muss mit einer kontroversen Kursdebatte rechnen. Der linke SPD-Flügel beäugt Olaf Scholz schon seit Jahren kritisch. Gabriel muss nach Scholz Wahlerfolg erklären, warum die SPD auf Bundesebene bei lediglich 25 Prozent liegt und was Olaf Scholz besser macht. Bundeskanzelerin Angela Merkel (CDU) sagte angesichts des CDU-Debakels mit 15,9 Prozent: »Wenn der Amtsinhaber keinerlei Fehler macht, ist die Machtoption sehr klein. Und deshalb muss man manchmal einen langen Atem haben.«

Update: 16.40 Uhr: Die Hamburger Grünen drängen die SPD im Vorfeld der Koalitionsgespräche zu einer Kurskorrektur. Grüne-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank sagte vor Journalisten in Berlin, Olaf Scholz habe trotz des Wahlerfolgs nicht den Auftrag, »seine Politik wie in den letzten vier Jahren fortzusetzen«. Die Grünen würden jedoch »ruhig, sachlich und verlässlich« in die Koalitionsverhandlungen gehen. Themenschwerpunkte seien neben Umwelt-und Klimapolitik auch eine sozial gerechte Bildung. Laut Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter werde sich ihre Partei in Hamburg nicht »billig verkaufen« und weiterhin für eine »humane Flüchtlingspolitik« und »echte Verkehrswende« stehen. Auch Hamburgs Olympia-Bewerbung würden sie unter bestimmten Umständen befürworten.

Update: 14.50 Uhr: Bürgerschaftswahl in Hamburg: Die Satirepartei »Die Partei« und ihr Spitzenkandidat Prof. Dr. Dr. Eimer haben im Stadteil St. Pauli mit 4,2 Prozent nicht nur die FDP (3,2 Prozent) und die Afd (3,1 Prozent) überholt. »Die Partei« ließ auch die CDU hinter sich, die gerade einmal 4 Prozent erreichte.

Update: 14.00 Uhr: Die Hamburger LINKE lehnt eine Koalition mit Olaf Scholz und der SPD zwar ab, schließe eine Zusammenarbeit für 2017 jedoch nicht aus.

Update: 13.50 Uhr: Die LINKE forderte in der Pressekonferenz nach wie vor eine Entschuldigung von Olaf Scholz und der SPD für die Agenda 2010, die laut der LINKEN »Armut per Gesetz« sei. Scholz solle sich bei den Menschen entschuldigen, die sich aufgrund von Hartz IV in einer prekären Beschäftigungslage befinden. Dora Heyenn prangerte weiterhin die niedrigen Löhne und Renten an. Sie berichtet von persönlichen Begegnungen mit Rentnerinnen, die wegen ihrer geringen Rente dazu gezwungen sind, mehrmals pro Woche die Tafel aufzusuchen. Außerdem machte Heyenn die Einführung von Hartz IV für die steigende Anzahl an psychischen Erkrankungen in der Bundesrepublik verantwortlich.

Update: 13.40 Uhr: Pressekonferenz der LINKEN in Berlin: Dora Heyenn, Spitzenkandidatin der LINKEN Hamburg freut sich über Rückenwind, den sie bei der Wahl von der Bundesebene erhalten hat. Sie geht davon aus, dass dies auch für die Bremer Bürgerschaftswahlen im Mai der Fall sein wird.

Update: 12.10 Uhr: Olaf Scholz (SPD) hat die Hamburger Grünen vor zu großen Ansprüchen in den geplanten Koalitionsverhandlungen gewarnt. Die SPD habe bei der Bürgerschaftswahl nur knapp eine erneute absolute Mehrheit verpasst, sagte er am Montag in Berlin. Damit sei auch eine inhaltliche Botschaft verbunden, wie die Stadt sich entwickeln solle. Scholz ist optimistisch, dass die Verhandlungen über Rot-Grün zum Erfolg führen. Nicht überzeugt von einer Rot-Grünen Koalition ist dagegen Hamburgs Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Er hat seinem Amtsnachfolger und Parteikollegen Scholz von einer Zusammenarbeit mit den Grünen abgeraten. In einem Interview mit dem Sender Phoenix sagte er am Montag, er sei »kein besonderer Freund von Rot-Grün«. Deutschland müsse sich im wachsenden internationalen Wettbewerb immer mehr behaupten und Wirtschafsfragen gerieten in den Vordergrund. Für den Hamburger Hafen sei das wichtig. Die Grünen seien jedoch wirtschaftsferner eingestellt. Auch die Haltung der Grünen zum Thema Elbvertiefung mache ihn skeptisch. Von Dohnanyi empfehle eher eine Koalition mit den Liberalen.

Update: 11.40 Uhr: Bei der AfD hängt nach der Hamburg-Wahl der Haussegen schief. Vize-Vorsitzender Hans-Olaf Henkel wertet das Wahlergebnis von 6,1 Prozent als Bestätigung seines wirtschaftsliberalen Kurses, während der rechtskonservative Flügel der Partei Kritik übte. Im Interview mit den Yahoo-Nachrichten forderte Co-Parteichef Konrad Adam, den im Osten erfolgreichen nationalkonservativen Flügel nicht weiter abzuztöten. Die Co-Vorsitzende Frauke Petry sagte am Montag der »Welt«, dass die AfD in Hamburg besser abgeschnitten hätte, wenn sie stärker auf originäre Inhalte wie innere Sicherheit, Islam und Zuwanderung gesetzt hätte.

Update: 11.15 Uhr: Grüne-Landeschefin Katharina Fegebank wartet laut eines Interviews mit dem NDR auf den Anruf von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), um über eine eventuelle Koalition zu verhandeln.»Wir werden uns nicht billig verkaufen und sind trotzdem verlässliche Verhandlungspartner«, sagt sie angesprochen auf das Thema Sondierungen. Auch die Landeschefin der FDP, Katja Suding, sagt sie »werde rangehen«, sollte Scholz sie zum Thema Regierungsbildung anrufen/kontaktieren.

Hamburger Grüne kündigen harte Verhandlungen an

Berlin. Nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg beraten die Parteien in der Hansestadt und in Berlin am Montag über das Ergebnis. Die SPD hat die erste von zwei Landtagswahlen in diesem Jahr klar gewonnen. Nach vier Jahren Alleinregierung braucht Bürgermeister Olaf Scholz aber einen Regierungspartner. Die Grünen als Scholz' erklärter Wunschpartner kündigten noch am Wahlabend harte Koalitionsverhandlungen an. Die CDU fuhr eine historische Wahlniederlage ein. Die Linkspartei verbesserte ihr Ergebnis deutlich und und erreichte 8,5 Prozent (2011: 6,4). Die FDP behauptete sich in der Bürgerschaft. Dort wird künftig auch die Rechtspartei AfD vertreten sein.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sieht seine Partei nun insgesamt im Aufwind. »Das Hamburger Ergebnis ist in erster Linie ein großer persönlicher Erfolg von Olaf Scholz, aber damit macht er auch der gesamten SPD Mut«, sagte Oppermann der »Rheinischen Post«. Scholz wird am Morgen von Parteichef Sigmar Gabriel in der Berliner Parteizentrale empfangen. Mit seinem erneuten Wahlsieg gewinnt Hamburgs Bürgermeister auf der SPD-Bundesebene an Gewicht. Im Parteivorstand kann niemand sonst zwei derart klare Wahlerfolge vorweisen. In der Partei herrscht angesichts der schwachen Umfragewerte um 25 Prozent unter Gabriel die Sorge, bei der Bundestagswahl 2017 erneut zu unterliegen.

Dagegen sieht die Grünen-Politikerin Renate Künast in dem Wahlsiegt von Scholz nicht nur »den Erfolg eines männlichen Doubles von Angela Merkel«, sondern auch »die große Gefahr der Entpolitisierung«, da bei beiden politischen Erfolgstypen unklar sei, »in welche Richtung Politik gehen soll«. Gegenüber der »Leipziger Volkszeitung« meinte Frau Künast, man müsse aufpassen, »dass Politik durch Kompromisse nicht in die Unkenntlichkeit getrieben wird«. Sie betonte allerdings auch, dass sowohl Merkel als auch Scholz dem Wunsch vieler Bürger entsprächen, dass Politiker »nicht das eigene Ego in den Mittelpunkt rücken« sollten. Belohnt vom Wähler werde offenkundig, »wer sortiert und fähig entscheidet und nicht, wer den Menschen verspricht, im Himmel ist Jahrmarkt«.

Nach dem vorläufigen amtlichen Teilergebnis bleibt die SPD mit 45,7 Prozent etwas unter ihrem Ergebnis der Bürgerschaftswahl von 2011 (48,4 Prozent). Die CDU setzt unter Spitzenkandidat Dietrich Wersich ihren Abwärtstrend fort und schneidet mit 15,9 Prozent (2011: 21,9) so schlecht wie nie in Hamburg ab. Die Grünen legen mit 12,2 Prozent leicht zu (11,2). Einer ihrer beiden Spitzenkandidaten, Jens Kerstan, sagte an die Adresse der SPD: »Wir werden hart verhandeln und sind dann zuverlässige Partner.« Die FDP mit Spitzenkandidatin Katja Suding liegt bei 7,4 Prozent (6,7). Der Partei gelingt damit erstmals seit September 2013 wieder der Verbleib in einem Landesparlament. Die erst 2013 gegründete Rechtspartei AfD zieht mit 6,1 Prozent ins Parlament ein.

Daraus ergibt sich folgende Sitzverteilung: SPD 58, CDU 20, Grüne 15, Linke 11, FDP 9, AfD 8. Der SPD fehlen zur erneuten absoluten Mehrheit 3 Sitze. Die Wahlbeteiligung war mit offiziell 56,6 Prozent so schlecht wie nie in Hamburg (2011: 57,3).

In der AfD wird nach dem ersten Erfolg bei einer westdeutschen Landtagswahl weiter über den Kurs der rechtspopulistischen Partei gestritten. Die Co-Vorsitzenden Frauke Petry kritisierte in der Zeitung »Die Welt« (Montag), in den Wahlveranstaltungen hätten marktliberale Themen rund um den Euro oder das Freihandelsabkommen TTIP dominiert - statt Reizthemen wie innere Sicherheit, Islam und Zuwanderung. AfD-Chef Bernd Lucke hob dagegen in der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (Montag) hervor, seine Partei habe in Hamburg mit einem sehr sachlichen Wahlkampf und den Themen Bildungspolitik, Verkehrspolitik und Integrationspolitik Erfolg gehabt.

Die sich abzeichnende rot-grüne Koalition in Hamburg schwächt derweil die Position der großen Koalition im Bundesrat weiter: Denn die von der SPD regierte Hansestadt gehörte bislang zum »Regierungslager« der Länderkammer und wandert jetzt voraussichtlich in den neutralen Block. Damit wird es für die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch schwieriger, im Bundesrat Mehrheiten für zustimmungspflichtige Gesetze zu bekommen. Die absolute Mehrheit, die vor allem bei zustimmungspflichtigen Gesetzen entscheidend ist, liegt im Bundesrat bei 35 von insgesamt 69 Stimmen. Dies verfehlt die große Koalition schon jetzt: Die von SPD und Union gemeinsam oder allein regierten Länder haben zusammen 27 Stimmen in der Länderkammer.

Mit dem Ende der SPD-Alleinregierung unter Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz verfügt der schwarz-rote Block im Bundesrat nur noch über 24 Stimmen. Sie kommen aus den von CDU und SPD gemeinsam regierten Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie dem von der CSU allein regierten Bayern. Damit braucht die große Koalition künftig mindestens elf Stimmen aus dem neutralen Lager, um ein zustimmungspflichtiges Gesetz durch den Bundesrat zu bringen. Eine Beschlussfassung wie bei der Asylrechtsverschärfung von 2014, bei der das grün-rote Baden-Württemberg neben dem damals noch schwarz-gelben Sachsen dem Gesetz zur Mehrheit verhalf, wäre so künftig nicht mehr möglich.

Auf der anderen Seite verschafft die erwartete Koalitionsbildung in Hamburg der Opposition im Bund keinen zusätzlichen Einfluss, etwa um gegen nicht zustimmungspflichtige Gesetzesvorhaben der Bundesregierung im Bundesrat Einspruch zu erheben oder dort eigene Beschlüsse durchzusetzen. Denn Länderregierungen, in denen Regierung und Opposition aus dem Bund vertreten sind, enthalten sich in aller Regel bei Bundesratsentscheidungen der Stimme. Das gilt auch für die von SPD und Grünen gemeinsam regiertem Länder. Zum neutralen Block gehören bisher die ebenfalls von SPD und Grünen regierten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bremen, außerdem das schwarz-grün regierte Hessen, das rot-rot regierte Brandenburg und das rot-rot-grüne Thüringen. Dazu käme dann künftig Hamburg. Agenturen/nd