»Es fährt kein Bus, Arschkarte«

Regionalkonferenz der Linkspartei im Hotel »Rosenstadt Forst«

Darf eine Klasse aus 30 Kindern bestehen und wer passt an der Haltestelle des Schulbusses auf? Fragen an Politiker der Linkspartei.

»Wir wollen, dass mehr Geld für das Theater in Cottbus da ist, dass für Sport mehr ausgegeben werden kann in Spremberg und Forst. Deshalb müssen wir handeln«, sagt der Landtagsabgeordnete Stefan Ludwig (LINKE). Er sagt es am Donnerstagabend im Hotel »Rosenstadt Forst«. Dorthin lud Ludwigs Partei Genossen von der Basis und interessierte Bürger zu einer Regionalkonferenz.

Ludwig macht deutlich, dass die beabsichtigte Kommunalreform für die Politik eine wichtige Frage ist. Sechs Landkreise leiden unter Haushaltsdefiziten und auch für den momentan ausgeglichenen Landesetat tun sich Deckungslücken auf. Darum dürfen die Verwaltungsausgaben nicht steigen. Doch als der Landtagsabgeordnete Matthias Loehr abfragt, wer in welche Gesprächsrunde gehen möchte, stellt sich heraus, dass vergleichsweise wenig Gäste zu Stefan Ludwig wollen. »Ich hätte gedacht, das Thema interessiert mehr«, gesteht Loehr. Doch viele gehen lieber ins Asylforum mit Sozialministerin Diana Golze und in das offene Forum mit Landtagsfraktionschefin Margitta Mächtig, wo alles Übrige auf den Tisch kommen darf.

Der blinde Marco Retzlaff fragt im offenen Forum nach dem öffentlichen Nahverkehr, auf den Blinde und Sehschwache angewiesen sind, weil sie sich nicht einfach ins Auto setzen können. Retzlaff hat Bekannte in Groß Jamno. »Die kommen nicht nach Forst. Es fährt kein Bus mehr«, erzählt er. »Es gibt dort nichts einzukaufen. Wenn sie niemand mitnimmt, salopp gesagt: Arschkarte.« Vizefraktionschef Ralf Christoffers kann keine Hoffnung auf zusätzliche Verbindungen machen. Es werde schwer, die noch vorhandenen Strecken zu halten, erläutert er. Als Alternative zu fahrplanmäßigen Stopps seien mehr Rufbusse nötig, die auf Wunsch vorbeikommen, damit einzelne Dörfer überhaupt noch angesteuert werden.

Ein anderes Problem: In Döbern wird demnächst eine neue Turnhalle eröffnet. Es fehlen jedoch 80 000 Euro im Jahr für den Unterhalt. Von den Sportvereinen müssten 50 Euro Nutzungsgebühr die Stunde verlangt werden. Das sei nicht zumutbar. Ob das Land helfen könne, möchte ein Einwohner erfahren.

Der Abgeordnete Loehr weiß: Das Amt Döbern habe ja generell finanzielle Schwierigkeiten, nicht nur mit der Turnhalle. Finanzminister Christian Görke wolle bei einem Vor-Ort-Termin ausloten, was möglich sei. Da gebe es doch den Hilfsfonds des Landes für überschuldete Kommunen.

Damit nicht genug. 229 Förderstunden seien an der Inklusionsschule in Döbern innerhalb eines Jahres dem Vertretungsunterricht zum Opfer gefallen, beschwert sich ein Mann. Dabei gebe es dort eine Klasse mit 30 Kindern, von denen acht Förderbedarf haben. Der Mann schimpft: »Wenn in der freien Wirtschaft jahrelang vorsätzlich so gehandelt würde wie im Schulamt Cottbus, da würden Köpfe rollen.«

Die Obergrenze sind eigentlich 28 Kinder, Überschreitungen dieser Marke nur in begründeten Einzelfällen zulässig. Fraktionschefin Mächtig wundert sich. Eine Klassenstärke von 30 sei vom Gesetz nicht gedeckt. Die Abgeordneten wollen sich kümmern. Ein Schulleiter aus Forst ergänzt: Regelmäßig fehlen Einzelfallhelfer. Ein sehbehindertes Kind habe keinen. Die Eltern klagen, aber das dauert. Matthias Loehr rät: Bevor Eltern zum Gericht laufen, sollten sie solche Fälle dem Landtagsabgeordneten ihrer Region vortragen. Man könne damit gerne zur Linkspartei kommen, aber ebenso zur SPD oder zur CDU gehen.

Auch die Beaufsichtigung von Grundschülern an der Haltestelle des Schulbusses, die Personalausstattung des Jugendgerichts in Cottbus, die Pkw-Maut und der beabsichtigte Verkauf der Braunkohlesparte durch den Energiekonzern Vattenfall kommen noch zur Sprache.

Wo Genossen, Sympathisanten und anderen der Schuh drückt, kann die LINKE bei einem Regionaltag wie dem in Forst erfahren. Vor dem Termin im Hotel trafen sich Minister, Staatssekretäre und Abgeordnete mit Vereinen und besuchten beispielsweise das Jobcenter und einen Pflegedienst. Dass die LINKE die nach der Landtagswahl 2009 eingeführten Regionalkonferenzen einschlafen ließ, das hatten Genossen nach der Wahlschlappe 2014 bedauert. Jetzt soll es monatliche Regionaltage geben.

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