Ein Labor und viele Amigos

Möglicher Abrechnungsbetrug eines bayerischen Unternehmers bleibt seit Jahren ohne Folgen / Einflussnahme der Politik vermutet

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Politik und Wirtschaft sind eng miteinander verbandelt. Manchmal zu eng. Ob das in Bayern so ist, versucht ein Untersuchungsausschuss des Landtages herauszufinden.

Der Augsburger Laborarzt Bernd Schottdorf kommt nicht aus den Schlagzeilen. Dabei geht es nicht nur um dessen eigene Verfehlungen, sondern um ein ganzes Geflecht von Verwicklungen mit bayrischen Behörden, aber auch mit Versicherungen und Ärzten. Im Kern handelt es sich um den Vorwurf betrügerischer Abrechnungen: Ärzte erhielten von Schottdorf Rabatte auf Untersuchungen, die sie dann zum vollen Gebührensatz mit den Kassen abrechneten. Die Differenz blieb den Medizinern als zusätzliche Einnahme.

Vorwürfe dieser Art gibt es bereits seit 1987. Vor allem soll dies bei den Abrechnungen von Privatpatienten oder Beamten geschehen sein. Inzwischen stellte sich heraus, dass sowohl die privaten Versicherer als auch die für die Krankenversicherung der Staatsdiener zuständige Beihilfestellen die vorgelegten Rechnungen nur oberflächlich prüften und damit das betrügerische System unterstützten.

Vor sechs Jahren wurden umfangreiche Ermittlungen gegen Schottdorf plötzlich eingestellt. Zwei beteiligte Polizisten beschwerten sich über das Eingreifen der Generalstaatsanwaltschaft. Daraufhin ging der Freistaat gegen die beiden Beamten vor. Dagegen klagten sie; einen Vergleich lehnt Robert Mahler, einer der Betroffenen, bisher ab. Dass Schottdorf damals aus der Schusslinie genommen wurde, hat möglicherweise mit seinem Anwalt zu tun, dem stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Peter Gauweiler. Er ist zugleich der Bundestagsabgeordnete mit den höchsten Nebeneinkünften - sie lagen im Vorjahr bei mindestens einer Million Euro. Gauweiler initiierte auch die Verfahren gegen die beiden Polizisten.

Insbesondere dem Versagen der Justiz geht seit vergangenem Herbst ein Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtages auf den Grund. Er soll klären, ob Schottdorf und seine ärztlichen Kunden von Rechts wegen geschont wurden und ob dabei die CSU und die Staatsregierung Einfluss nahmen. Der Ausschuss hörte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dazu, wie sie private Krankenversicherungen kontrolliert. Es ging um die Frage, ob die Versicherer durch gefälschte Abrechnungen von Laborleistungen geschädigt wurden. Offenbar hält die BaFin die bisher entstandenen Schäden nicht für relevant. Das sei erst der Fall, wenn die betroffenen Unternehmen Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen könnten, heißt es. Von dieser Seite sind also den Betrugsversuchen weiterhin Tür und Tor geöffnet - zunächst vor allem zu Lasten der Versicherten und Patienten.

Einer der betroffenen Versicherer ist die Allianz. Das Unternehmen war seitens der ermittelnden Sonderkommission »Labor« 2009 über die Namen und Adressen von 1000 Ärzten informiert worden, die dem Kartell angehört und Leistungen für Allianz-Versicherte abgerechnet haben sollen. Man sei »juristisch tätig geworden«, über Rückforderungen gab es jedoch keine Auskunft.

Bislang hat der Untersuchungsausschuss bei der Vernehmung eines Schlüsselzeugen jedoch kein Indiz für eine politische Einflussnahme finden können. Der Kriminalhauptkommissar Stephan Sattler hatte 2010 mit einer Aussage vor Gericht den Eindruck erweckt, nach Entdeckung einer Parteispende von Schottdorf an die CSU seien die Ermittlungen von oberer Stelle behindert und das Personal der Sonderkommission reduziert worden. Im Zeugenstand des Ausschusses betonte Sattler am vergangenen Dienstag, seine damalige Aussage sei in der Zeitung falsch zitiert worden. Die Darstellung dieser Zeugenaussage sei »nach meinem Dafürhalten nicht richtig«.

Eine Klage wegen gewerbsmäßigen Betrugs am Landsgericht Augsburg behandelt indes Vorwürfe gegen Schottdorf, zwischen 2004 und 2007 Krankenkassen um Honorare in Höhe von 78,9 Millionen Euro betrogen zu haben. Der Unternehmer bestreitet das. Der Verfahrensbeginn wird seit fast einem Jahr verschoben, angeblich wegen Überlastung der Justiz.

Außerdem wird wegen möglichem Sozialversicherungsbetrug gegen das Augsburger Großlabor ermittelt. Bei einer Razzia im Januar wurden in diesem Zusammenhang bundesweit 142 Wohn- und Geschäftsräume durchsucht. Dabei geht es um den Verdacht, dass seit 1995 abhängig beschäftigte Kurierfahrer als selbstständige Transportunternehmer abgerechnet wurden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal