Die Luft wird knapp!

Von Reinhard Renneberg , Hongkong, und Reinhard Nießner, München

  • Reinhard Renneberg
  • Lesedauer: 2 Min.

Schon die Abwasserrechnung bezahlt? Bereits 1898 fanden die Briten heraus, wie man die Qualität von Abwasser messen kann. Wie hoch ist die Belastung an biologisch abbaubaren Substanzen im Wasser? Zucker, Eiweiße, Stärke, Zellulose und Fette - alle können durch sauerstoffliebende (aerobe) Mikroben zu Energie, Wasser und CO2 abgebaut werden. Ergebnis: sauberes Wasser.

Geschirrspüler, Waschmaschinen und WC belasten die Abwässer der Haushalte. Die biologischen Stoffe darin beseitigen in deutschen Kläranlagen die erwähnten aeroben Mikroben. Wie wir auch brauchen sie den Sauerstoff aus der Luft, der sich im Wasser löst.

Nun weiß jeder Aquarien-Liebhaber, dass Sauerstoff nur sehr begrenzt in Wasser löslich ist. Deshalb blubbern die Aquarianer pausenlos feine Luftbläschen ins Wasser. Kaltes Wasser löst viel mehr Sauerstoff als warmes. Polarmeere haben deshalb sauerstoffreichere Strömungen als warme tropische Meere. Bei 10 Grad Celsius lösen sich im Liter Wasser 6,5 Milligramm O2, bei 30 Grad nur noch 4,6 mg O2.

Auch deshalb sterben Fische im Hochsommer in kleinen Teichen oft an Sauerstoffmangel. Anaerobe Mikroben übernehmen dann sofort die Macht. Diese archaischen Einzeller brauchen keinen Sauerstoff, produzieren aber giftigen Schwefelwasserstoff und Ammoniak. Das tote Wasser stinkt faulig-schweflig.

Die Briten also maßen als erste den biochemischen Sauerstoffbedarf - und zwar über fünf Tage (BSB5). Man nimmt eine Wasserprobe, verdünnt sie, reichert sie bis zur Sättigung mit Sauerstoff an und misst danach die Sauerstoffkonzentration mit einer Elektrode. Danach kommen lebende Abwasser-Mikroben ins Gefäß, das dicht verschlossen wird und ohne Licht bei 25 Grad fünf Tage lang automatisch geschüttelt wird.

Was passiert in diesen fünf Tagen? Sauberes Wasser ohne Nährstoffe bietet den hungrigen Mikroben in der Schüttelflasche keine Nahrung. Sie verharren im Schlafzustand, »halten förmlich die Luft an« und verbrauchen keinen Sauerstoff. Anders im hochbelasteten Abwasser: Ein Mikroben-Schlaraffenland! Die Winzlinge fressen und vermehren sich wild. Sie verzehren den hineingeblubberten Sauerstoff. Je mehr Futter sie haben, desto mehr Sauerstoff schlucken sie. Nach fünf Schütteltagen misst man den Sauerstoffgehalt beider Proben: Unverändert hoher Sauerstoff für sauberes Wasser. Nahezu kein O2 für das belastete. Die Differenz von beiden nennt man BSB5-Wert, den man für die zuverlässige Kontrolle und Steuerung von Klärwerken benötigt und was die fünftägige Wartezeit zum Problem macht.

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