Testlauf in Andalusien

Bei vorgezogenen Neuwahlen in der Provinz befürchten Spaniens Konservative einen Absturz

  • Ralf Streck, San Sebastian
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Urnengänge in Andalusien, der bevölkerungsreichsten Region Spaniens, geben meist vor, wie später die Wahlen für das nationale Parlament ausfallen.

Sollten die Prognosen für die vorgezogenen Neuwahlen zum Regionalparlament in Andalusien richtig liegen, dann werden die Sozialisten (PSOE) am Sonntag gewinnen. Und jene Partei, die bisher die große, bevölkerungsreichste, aber arme Region hinter sich brachte, stellte dann fast immer auch die Regierung in Madrid. Deshalb finden diese Wahlen besondere Aufmerksamkeit.

Es wird mit harten Bandagen gekämpft. Die Parteien schicken ihre Spitzenleute in den Wahlkampf, die regierende rechte Volkspartei (PP) selbst den Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, um ihren Absturz zu begrenzen. 2012 hatte die PP der PSOE erstmals deren Hochburg streitig gemacht. Mit 41 Prozent gewann sie knapp, konnte aber keine Koalition bilden. Die Sozialisten holten die Vereinigte Linke (IU) ins Regierungsboot, verloren aber fast zehn Prozent - ein miserables Ergebnis in einer Region, in der sie lange eine absolute Mehrheit hatten, und fast so schlecht wie 1994. Damals schrumpfte man wegen Korruptionsskandalen und Todesschwadronen gegen Basken sogar auf 39 Prozent. Die PP schloss auf und übernahm 1996 die Macht in ganz Spanien.

Mit vertauschten Rollen fürchten die ebenfalls von Korruptionsskandalen gebeutelten Konservativen nun ein Debakel in Andalusien und dann den Machtverlust bei den Parlamentswahlen im Herbst. Ihre Bankenrettung, gepaart mit harten Kürzungen und Einschnitten ins Sozialsystem, bescherte Teilen von Andalusien 40 Prozent Arbeitslosigkeit und Hunger; Zehntausende Familien flogen aus ihren Wohnungen. Der Widerstand von PSOE-Ministerpräsidentin Susana Diaz und der Linken reichte vielen nicht. Obwohl Diaz jetzt ein noch schlechteres Ergebnis als 2012 erwartet, hofft sie, dank der absehbaren PP-Verluste erneut in einer Koalition weiterregieren zu können.

Klar ist jedoch, dass die IU deutlich verlieren wird und kaum noch als Mehrheitsbeschaffer infrage kommt. Das war die Rolle, die man sich von Diaz zuweisen ließ. Während von den im Koalitionsvertrag vereinbarten Punkten kaum etwas umgesetzt werden konnte, musste die IU eine wenig erfolgreiche PSOE-Politik mittragen. Wofür sie nun die Rechnung erhält. Klar ist auch, dass das bisherige »Zweiparteiensystem« aufgebrochen wird. 2012 vereinten PSOE und PP noch mehr als 80 Prozent der Stimmen, nun sollen es nach Umfragen nur 60 Prozent werden.

Dafür ist vor allem das Phänomen der Empörten-Partei Podemos (Wir können es) verantwortlich. Wegen ihr hat Diaz auch die Wahlen vorgezogen. Sie wollte die noch im Aufbau befindliche Partei, die nach Umfragen die Parlamentswahlen im Herbst gewinnen könnte, kalt erwischen. In Andalusien liegt Podemos in den Prognosen aber hinter der PSOE und der PP nur auf dem dritten Rang. Die IU soll, weil nun eine linke Alternative da ist, von bisher 11,3 Prozent auf unter sieben Prozent fallen. Die gespaltene Partei kämpft in ihrer Hochburg faktisch ums Überleben. Mit ihr will sich Podemos nicht als Alternative präsentieren. Sie gehört für die Empörten sogar zu dem System, das sie stürzen wollen. Auch IU-Mitglieder sind in die Korruption verwickelt, und dass die Vereinte Linke in der Nachbarregion Extremadura eine PP-Regierung stützt, nimmt ihr weitere Glaubwürdigkeit.

Podemos hofft, dass erneut eine Überraschung gelingt. Ihr Generalsekretär Pablo Iglesias verwies auf Umfragen für die Europawahlen im Vorjahr. Prognostiziert wurde bestenfalls ein Podemos-Parlamentarier in Straßburg, doch dann wurden es fünf. Für die 34-jährige Europaparlamentarierin Teresa Rodríguez aus Cadiz ist Andalusien sogar ein »Meilenstein« für den »politischen Wandel« im Land. Sie fordert Mut von den Wählern, um das Land vom »Schlechten« und »Schlimmsten« zu befreien, um sich auf den Weg der griechischen Schwesterpartei SYRIZA zu begeben.

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