»Meine Lehrerin war rassistisch«

Eltern von Migrantenkindern erwarten mehr interkulturelle Kompetenz an den Schulen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Von wegen bildungsferne Migranten ... Anders, als Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland oft und gern unterstellt wird, sind diese an Bildung für ihre Kinder sogar höchst interessiert.

Sie spricht Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, leidlich Spanisch, aber sie spricht nicht Serbisch. Sie habe als Kind nicht zu »denen« gehören wollen, sagt Klaudija Paunovic, Webdesignerin. Und sie benutzt statt »denen« ein Schimpfwort - so habe sie Migranten empfunden, als sie noch Kind war, fügt sie schuldbewusst hinzu. Migranten sind einem allgemeinen Prekariatsverdacht unterworfen, das merken sie selbst offenbar sehr früh. Klaudijas Eltern stammen aus Serbien. »Du bist Ausländerin, du musst dich mehr anstrengen als andere.« Das ist ein Satz, der Klaudija fest in Erinnerung ist.

Die erfolgreiche junge Frau erzählt in einem Kurzfilm von ihren Erfahrungen. Am Dienstag konnten Journalisten ihn zur Präsentation der Studie sehen, die die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf mit Unterstützung der Vodafone- und der Mercator-Stiftung in Berlin vorstellte. »Große Vielfalt, weniger Chancen«, ist sie überschrieben. Damit ist das Ergebnis angedeutet - die Studie setzt dem Bild einer angeblich homogenen Gruppe von Migranten in Deutschland die Realität entgegen, die eine Realität kultureller Vielfalt ist. Die Wissenschaftler testeten milieugeprägte Erlebniswelten und Bewertungsmuster von Migranten. Und hier besonders die Werte und Erwartungen der Eltern.

Was dabei zuerst deutlich wird, ist ebenfalls ein Bruch - diesmal zwischen Erwartungen der Eltern, die auf die Wirklichkeit des deutschen Schulsystems treffen. Und während ganz unabhängig von den verschiedenen Milieus, in denen auch Migranten leben, es eine gemeinsame Überzeugung ist, dass möglichst hohe Bildung Voraussetzung für eine gesicherte Zukunft in Deutschland ist, erleben sie ihre Herkunft als Hürde auch für die Generation der Kinder. Dabei ist Eltern aus verschiedenen Milieus auch die Bereitschaft gemeinsam, sich zu engagieren. Elternabende - unabhängig vom Milieu wird die Teilnahme als wichtig empfunden.

88 Prozent der Eltern wünschen sich, dass kulturelle Vielfalt Wertschätzung erfährt, doch nur zwei Drittel erkennen eine solche im Schulalltag ihrer Kinder. Fast alle Eltern wünschen sich Beratung zu speziellen Förderprogrammen, doch nur 20 Prozent erleben so etwas an den Schulen. Ähnlich ist das Verhältnis zwischen Wunsch und Wirklichkeit eines speziellen Deutschunterrichts für Migranten - nur 27 Prozent finden diesen Service an der Schule vor. Gezielte Förderung von Migrantenkindern durch ihre Lehrer erhoffen sich 83 Prozent der Eltern - doch nur für 29 Prozent geht der Wunsch in Erfüllung. »Meine Hauptschullehrerin war rassistisch«, sagt Klaudija Paunovic in dem Film. Persönliche Erfahrungen mit Lehrern prägen sich tief ein. Leider auch negative.

Bemühungen mit dem Ziel, soziale Herkunft und Bildungschancen zu entkoppeln, erklären Politik wie Wirtschaft immer wieder gern zu ihrem Anliegen. Die Strukturen des Bildungswesens sind dabei entscheidend. Mit dieser Studie zielen die beiden Stiftungen wie auch die ausführende Universität nunmehr auf die Nutzung von Erziehungs- und Bildungskompetenzen der Eltern.

Natürlich gibt es Unterschiede, und die Zugehörigkeit zu bestimmten Milieus beeinflusst Erwartungen und Zukunftsplanung. Sicherheit, Zusammenhalt oder ein hohes Einkommen spielen für traditionelle Gastarbeitermilieus eine größere Rolle als für intellektuelle Kosmopoliten. Die wiederum wollen in der Schule angehört werden, wenn es um ihre Kinder geht. »Unsere Analyse ... zeigt deutliche Unterschiede in den Bildungsmotiven von Migranten«, so Prof. Heiner Barz, Leiter der Studie. Dass diese es »besser« haben sollen, ist allen Milieus gemeinsam. Da unterscheiden sie sich nicht von Nichtmigranten.

Studie online unter dasND.de/vielfalt

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