Wirtschaftssozial

Arbeitsministerin Andrea Nahles rechnet sich die Armut schön

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 2 Min.

Über Geld zu reden - damit hat An- drea Nahles (SPD) kein Problem. In einem ganzseitigen Interview in der »Süddeutschen Zeitung« plauderte die 44-jährige Bundesarbeitsministerin über gute deutsche Weine, unbequeme Lamborghinis und das eigene Pferd. Nun ist die studierte Germanistin und Politikwissenschaftlerin bisher nicht durch übermäßigen Hang zum Luxus aufgefallen - ganz im Gegensatz zu ihren Parteikollegen Gerhard Schröder oder Peer Steinbrück, die gerne mal mit teuren Zigarren Modell standen oder über Fünf-Euro-Weine die Nase rümpften. Und auf schnelle Autos verzichtet Nahles schon zugunsten ihrer kleinen Tochter.

Trotzdem ist ihr anzumerken, dass man nach einer fast 30-jährigen Karriere in der Politik und mit einem Monatseinkommen von rund 14 600 Euro plus steuerfreie Bezüge nicht mehr so ganz nah am Leben der »einfachen Beschäftigten« dran ist. Neben ihrem eigenen Geld redet Nahles nämlich auch über das Geld der anderen, speziell das fehlende. Die Debatte über Armut in Deutschland sei von Vermutungen und Vorurteilen geprägt, die sie mit dem 2016/2017 geplanten neuen Armutsbericht ausräumen wolle, so die in der katholischen Rhein-Pfalz aufgewachsene Politikerin.

Steigende Armut, wie sie ein Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes kürzlich ausmachte, ist für die ehemalige Juso-Chefin und Ex-SPD-Generalsekretärin denn auch keine Tatsache, sondern Ergebnis einer irreführenden Berechnung. Nicht jeder, der über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (rund 1000 Euro im Monat) verfüge, sei arm.

Bei solch einer Einstellung verwundert es nicht, dass wirtschaftsfreundlich und sozial für sie kein Gegensatz sind. Wer so viel vom Sozialen versteht, dem ist die Wirtschaft auf jeden Fall freundlich gesonnen. Vielleicht kann Nahles ja so die Sympathien der Unternehmer zurückgewinnen, die sie wegen der Einführung des Mindestlohns verloren hat. Denn vor der Unternehmerschaft hat die Ministerin offenbar noch mehr Angst als vor dem Zorn Gottes, der sie als Kind daran gehindert haben soll, vom Messwein zu kosten.

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