EU-Kommission will Pkw-Maut prüfen

Nach dem Beschluss des Bundestags könnte es bald zu einem Rechtsstreit um die »Infrastrukturabgabe« kommen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Bundesregierung ist der Streit um die Pkw-Maut beendet worden. Union und SPD haben sie mit ihrer großen Mehrheit im Parlament beschlossen. Doch es bleiben europarechtliche Bedenken.

Die Große Koalition hatte es eilig, die umstrittene Pkw-Maut zu verabschieden. Zu Wochenbeginn einigten sich Union und SPD endgültig auf ein Konzept. Daraufhin brachten sie die sogenannte Infrastrukturabgabe gegen den Willen der Oppositionsparteien am Freitag auf die Tagesordnung des Bundestags. Diese wird in der Regel von allen Fraktionen festgelegt. Die Fraktionsgeschäftsführerinnen von LINKEN und Grünen, Petra Sitte und Britta Haßelmann, hatten aufgrund der Änderungen in dem Gesetzentwurf weitere Beratungen gefordert.

Doch Schwarz-Rot lehnte diese ab. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die Pkw-Maut ein für die SPD und Teile der CDU nicht sonderlich angenehmes Thema ist. Darüber soll nicht mehr viel geredet werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor der Bundestagswahl versprochen, dass es mit ihr keine Pkw-Maut geben wird. Die Sozialdemokraten hatten nur noch kleine Veränderungen durchsetzen können. So wird etwa die Lkw-Maut ausgedehnt. Zudem soll eine Evaluierung im Jahr 2017 gewährleisten, dass die Maut, die ab dem kommenden Jahr auf Autobahnen und Bundesstraßen gelten soll, vor der nächsten Bundestagswahl noch einmal überprüft wird.

Dies ist nur Kosmetik. Bei der Bundestagsdebatte brachte der SPD-Politiker Andreas Schwarz die Haltung seiner Fraktion auf den Punkt. »Wir sind zuverlässige Vertragspartner«, erklärte Schwarz. Die Pkw-Maut ist Teil des Koalitionsvertrages und deswegen für die Sozialdemokraten verpflichtend. Sie wird allein deswegen eingeführt, weil die CSU und ihr Vorsitzender Horst Seehofer sie unbedingt wollen und im Wahlkampf versprochen haben. Der Applaus der antieuropäisch eingestellten Stammtische ist sicher. Zudem könnte sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt als möglicher Nachfolger von Parteichef und Ministerpräsident Seehofer in Stellung bringen.

Dobrindt geht davon aus, dass durch die Maut nach Abzug der Kosten jährlich 500 Millionen Euro für Investitionen in die Verkehrswege zur Verfügung stehen werden. Diese Zahlen wurden in den letzten Wochen allerdings von zahlreichen Experten etwa im Automobilklub ADAC sowie in den Oppositionsparteien stark bezweifelt.

Trotz der in der Bundesregierung erzielten Einigung könnte sich der Streit um das Gesetz auf einer anderen Ebene fortsetzen. SPD-Politiker in den Bundesländern befürchten nämlich negative Folgen für den Grenzverkehr. Entsprechend äußerten sich etwa Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und seine rheinland-pfälzische Amtskollegin Malu Dreyer. Sie ärgern sich offenbar, dass die SPD im Bundestag nicht erreicht hat, dass zum Schutz der Grenzregionen auch einzelne Autobahnabschnitte aus der Mautpflicht herausgenommen werden. Nach den Plänen der Bundesregierung muss der Bundesrat den neuen Regelungen nicht zustimmen. Die Länderkammer könnte allerdings die Umsetzung verzögern, indem sie den Vermittlungsausschuss anruft. Dies hatte Malu Dreyer vor Kurzem angedroht.

Fraglich ist außerdem, ob die Pkw-Maut europarechtskonform ist. Sie soll ausschließlich ausländische Autofahrer belasten, die nur für Autobahnen zahlen. Sie können Jahresvignetten sowie Zehn-Tages- und Zwei-Monats-Vignetten kaufen. Die Preise der Kurzzeitvignetten werden gestaffelt. Der Vignettenpreis wird nach Größe und Schadstoffausstoß des Autos bemessen. Deutsche werden hingegen über eine geringere Kfz-Steuer von der Maut entlastet. Deswegen könnte die Regelung von einem Gericht als diskriminierend und damit rechtswidrig ausgelegt werden. »Sie nehmen billigend in Kauf, dass dem Ansehen der Bundesrepublik in Europa Schaden zugefügt wird«, kritisierte der LINKE-Verkehrspolitiker Herbert Behrens.

Möglich ist, dass die EU-Kommission eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einreicht. Das wird geprüft. Auch Österreich schließt juristische Schritte nicht aus. Laut ADAC könnte eine Klärung durch den EuGH auch durch die Klage eines zahlungsunwilligen mautpflichtigen EU-Bürgers vor einem deutschen Gericht herbeigeführt werden.

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