Leben auf engstem Raum macht krank

Asylbewerber aus der Gerhart-Hauptmann-Schule soll in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden

  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Asylbewerber aus der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule steht seit Freitag vor Gericht. Er ist laut Anklage im Oktober letzten Jahres gewalttätig geworden.

Der 21-jährige Mamadi S. stammt aus Gambia und gehört zur Ethnie der Mandinka. Warum er nach Deutschland kam, um hier Asyl zu finden, welche schrecklichen Erlebnisse ihn aus dem Land getrieben haben, wie er mit den dramatischen Lebensverhältnissen auf engstem Raum in der provisorischen Flüchtlingsunterkunft klarkam - all das wissen wir nicht. Nur, dass er in der gambischen Hauptstadt Banjul geboren und vor der Gerhart-Hauptmann-Schule in Eppingen in einem Asylbewerberheim lebte. In seiner Heimat soll er als Anstreicher gearbeitet haben, er ist nicht verheiratet, hat keine Kinder. Nun steht er vor Gericht wegen mehrerer Vorfälle mit gewalttätigem Hintergrund. Verhaftet wurde er, nachdem er in der Nacht vom 7. zum 8. Oktober einen Polizisten vor der Kreuzberger Flüchtlingsunterkunft geschlagen und er sich gegen seine Verhaftung heftig mit Händen und Füßen gewehrt haben soll.

Nun aber ist aus der Klageschrift eine Antragsschrift geworden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass bei Mamadi S. die Gewaltausbrüche im Zustand der Schuldunfähigkeit erfolgten, er somit juristisch für die Taten nicht verantwortlich gemacht werden kann. Deshalb wird er am Ende der Verhandlung nicht mehr verurteilt, sondern in einer psychiatrischen Klinik weiterbehandelt werden.

Das Verfahren stellt sich als außerordentlich kompliziert heraus. Der Beschuldigte muss ja in vollem Umfang verstehen, was ihm vorgeworfen wird. Er muss die Prozeduren in einem deutschen Gerichtssaal begreifen, warum aus einem Angeschuldigten nun ein Beschuldigter wird, wie die Paragrafen, die seinen Fall betreffen, lauten. Er muss das - auch für Bürger dieses Landes nur schwer verständliche - Juristenkauderwelsch begreifen. Dem Gericht ist es gelungen, einen Mandinka-Dolmetscher aufzutreiben, der Mamadi über seine Rechte aufklärt, das Recht, sich zur Sache zu äußern oder das Recht zu schweigen. Ob das der junge Mann verstanden hat, ist schwer einzuschätzen. Doch zu einem rechtsstaatlichen Verfahren gehört, dass nichts im Gerichtssaal geschehen kann, ohne dass der Beschuldigte weiß, worum es hier geht. Auch mit seinem Verteidiger hat Mamadi bisher nur über den Prozess, nicht aber über die Geschehnisse in seiner Heimat gesprochen. Er hat ihn im Krankenhaus des Maßregelvollzugs besucht, um ihn auf das Prozedere im Gerichtssaal vorzubereiten.

Wichtig für das weitere Verfahren wird sein, was der psychiatrische Gutachter zur Krankheit und den Hintergründen des Geschehens sagen wird. Die wenigen Worte des Beschuldigten lassen zumindest ahnen, dass ihn die Verhältnisse in der Gerhart-Hauptmann-Schule sehr belastet haben. Immer wieder gab es gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Asylbewerbern untereinander oder mit dem Wachpersonal. Menschenunwürdige Lebensverhältnisse und die quälende Ungewissheit des weiteren Schicksals sind ein explosiver Stoff. Die Entscheidung des Gerichts zu Mamadi S. soll im Mai verkündet werden.

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