nd-aktuell.de / 01.04.2015 / Politik / Seite 12

Zwölf Biere bis zum Mittagessen

In einem Freisinger Forschungszentrum geht es um Vollmundigkeit, Geruch, Bitterkeit - und um den Schaum

Kathy Stolzenbach
Jährlich untersuchen Lebensmittel-Experten im bayrischen Freising Hunderte verschiedene Biersorten aus dem In- und Ausland. Über die Qualität entscheidet dabei mehr als Geruch und Geschmack.

Fritz Jacob ist Bierkenner. Das mag mancher Kneipengänger von sich behaupten, doch die wenigsten dürften so viele Biere probiert haben wie der 59-Jährige. Seit 30 Jahren testet Jacob täglich zehn bis zwölf verschiedene Sorten. Jacob ist Brauingenieur und leitet das Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität in Freising, das für die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) Biere untersucht und bewertet.

Jährlich senden Brauereien aus dem In- und Ausland rund 800 Bierproben an die DLG. Sie müssen das Reinheitsgebot erfüllen - also ausschließlich Hopfen, Malz, Hefe und Wasser verwenden. Die Qualitätskontrolle ist freiwillig und auch im Ausland sehr beliebt: »Das Prüfsiegel hat auch international einen hohen Stellenwert. Im Ausland weiß man um die Qualität deutschen Bieres«, sagt Diedrich Harms von der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB). Die VLB testet ebenfalls Biere für die DLG. Zehn Prozent der Brauereien, die ihre Proben einschicken, stammen aus dem Ausland, etwa aus den USA, China oder Afrika. »In China gilt es als Statussymbol, deutsches Bier zu trinken«, sagt Harms. Aber auch bei den einheimischen Produkten setze man auf deutsche Qualitätsstandards - im Idealfall zertifiziert.

»Unsere Prüfungsbedingungen sind sehr streng«, sagt Harms. 20 Prozent der eingereichten Biere erfüllen die Kriterien nicht und fallen durch die Prüfung. Doch es gibt eine gute Nachricht für die Verbraucher: Immerhin die Hälfte erreicht bei den Tests höchste Punktzahlen und wird mit einem goldenen DLG-Siegel prämiert.

Die Brauereien schicken zwei Bierproben an die DLG - eine davon ist frisch gebraut, die andere vier bis sechs Wochen alt. »Zwischen den beiden Proben sollte kein Unterschied zu schmecken sein«, sagt Jacob.

Zehn professionelle Verkoster - etwa die Hälfte sind Frauen - probieren die Biere, ohne die Marke zu kennen. Sie bekommen nur einige Grundinformationen: Kölsch oder Pils, alkoholfrei, Stark- oder Dunkelbier. In einem Fünf-Punkte-System bewerten sie Kriterien wie Geschmack, Vollmundigkeit, Geruch und Bitterkeit.

»Wir testen zehn bis zwölf Sorten an einem Tag. Immer vormittags, vor dem Mittagessen. Dann sind die sensorischen Fähigkeiten am besten«, erklärt Jacob. Vor dem Test dürfen die Verkoster nicht rauchen, keinen Kaffee trinken und kein Parfüm auftragen.

Vor Fritz Jacob steht ein Kölsch. Serviert in einer neutralen, dunklen Tasse, damit das Aussehen des Bieres den Geschmack nicht beeinflusst. Der 59-Jährige hebt die Tasse hoch, riecht daran, schwenkt den Inhalt. Er riecht ein weiteres Mal daran und nimmt einen kleinen Schluck. »Ich schmecke eine betonte, sehr feine Bitterkeit und eine angenehm fruchtige Note. Das Bier ist vollmundig, aber trotzdem nicht schwer«, sagt Jacob. Er nimmt meist nur einen Schluck, maximal zwei, um sein Urteil zu fällen.

Aus allen Bewertungsbögen wird der Mittelwert errechnet. Anschließend werden im Labor unter anderem der Alkoholgehalt, die Säurekonzentration und - ganz wichtig - der Bierschaum untersucht und bewertet. »Zehn Minuten sollte der Schaum mindestens halten«, sagt Jacob. »Denn ein gutes Bier braucht einen stabilen Schaum.« Beim Geschmackstest spielt der Schaum keine Rolle. Für Jacob steht nach einem Schluck fest: »Das ist ein leckeres Kölsch. Höchste Punktzahl.« dpa/nd