Angst vor neuem Kalten Krieg

Ostermärsche fordern das Ende des Konflikts in der Ukraine und üben deutliche Kritik auch an Russland

In zahlreichen Städten wollen sich Friedensgruppen über die Ostertage der Rüstungs- und Interventionspolitik der Bundesregierung entgegen stellen. Es wird gelaufen, geradelt und gewandert.

Mit über 70 Demonstrationen, Mahnwachen, Fahrradtouren und Wanderungen wollen Friedensgruppen über die Ostertage eine friedlichere Welt einfordern. Im Mittelpunkt der Aufrufe steht die Ukraine-Krise. Viele Menschen befürchten einen neuen Kalten Krieg mit Russland bis hin zu einer echten militärischen Auseinandersetzung. Um so dringlicher rufen sie zu Deeskalation und Kooperation auf - und zwar den Westen, mit deutlichen Worten aber auch Russland. »Die Friedensbewegung ist weder mit dem Vorgehen der - usurpierten - Kiewer Staatsmacht in der Ostukraine, noch mit der fadenscheinigen Politik Russlands, noch mit der aggressiven Einheizpolitik der US-Administration einverstanden«, erklärt der Bundesausschusses Friedensratschlag. Als »völlig kontraproduktiv« bezeichnet das Netzwerk Friedenskooperative die Militärmanöver und scharfen Töne beider Seiten. »Die Drohungen Russlands gegenüber Dänemark oder der US-Konvoi von Radpanzern durch Osteuropa gießen zusätzlich Öl ins Feuer«, kritisiert Christian Golla, Koordinator des Netzwerkbüros in Bonn, das die lokalen Ostermärsche unterstützt und auf einer Webseite bündelt.

Auch Atomwaffen sind 55 Jahre nach dem ersten Ostermarsch, in dem es um die atomare Bewaffnung der Bundeswehr ging, noch immer ein wichtiges Thema. »Besonders durch die wachsenden Spannungen zwischen Russland und den USA, die mehr als 90 Prozent der Atomwaffen besitzen, steigt die Gefahr eines Einsatzes oder auch eines Unfalls«, warnt Philipp Ingenleuf vom Netzwerk Friedenskooperative. Im Zentrum der Atomwaffengegner steht der kleine Ort Büchel in Rheinland-Pfalz, wo etwa 20 US-Atomwaffen stationiert sind. Am Fliegerhorst wollen Friedensaktivisten nicht nur demonstrieren, sondern über Ostern auch gewaltfrei blockieren.

Darüber hinaus fordern die Ostermarschierer den Stopp deutscher Rüstungsexporte. Die Brisanz zeige sich aktuell im Konflikt in Jemen und durch die Intervention Saudi Arabiens, bei der wahrscheinlich deutsche Waffen zum Einsatz kommen dürften. Waffenlieferungen an die Golfdiktatur gehören zu den umstrittensten Entscheidungen in der Bundesrepublik.

Der Auftakt der Ostermärsche am Freitag steht im sächsischen Chemnitz unter dem Motto »Gegen Krieg und Fremdenfeindlichkeit - Für internationale Solidarität.« Rund um die Uranaufbereitungsanlage (UAA) in Gronau findet an diesem Tag etwas statt, was sich die Friedensbewegung noch viel öfter wünscht, nämlich gemeinsam mit Anti-Atom-Bewegten gegen Atomanlagen und Atomwaffen zu demonstrieren. Am Ostersamstag zielen viele Ostermarschaktionen auf Militärstützpunkte ab, etwa in Ansbach an der US-Kaserne Katterbach. In Berlin steht der Ostermarsch unter dem Motto »Die Waffen nieder!« und in Duisburg startet der dreitägige Ostermarsch Rhein Ruhr unter der Losung »Krieg stoppen - Atomwaffen ächten - zivile Lösungen schaffen«. In Bonn wird singend demonstriert, in Frankfurt am Main aus verschiedenen Richtungen, in Münster auf dem Fahrrad, in Frankfurt (Oder) an der polnischen Grenze und in München soll dreieinhalb Stunden Richtung Schloss Elmau gewandert werden, wo im Juni der G7-Gipfel für Proteste sorgen wird.

Zahlreiche Aktionen an den Ostertagen weisen zudem auf den 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai hin und erinnern an die Lehre von damals: »Nie wieder Krieg«. Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges sind bis heute ein Grund für viele Bürger, an den Ostertagen auf die Straße zu gehen, auch wenn die Organisatoren wünschen würden, dass angesichts der zunehmenden Krisen in der Welt dieses Jahr »ein paar mehr Menschen teilnähmen«.

Dass die Kontroverse um die Montagsmahnwachen die Ostermärsche belasten wird, glaubt man indessen im Bonner Friedensbüro nicht. »Das wird keine große Rolle spielen«, sagt Christian Golla. In vielleicht »drei von 73 Veranstaltungen« tauchen seines Wissens die Mahnwachen als Mitveranstalter auf, zum Beispiel in Hamburg. Nennenswerten Zulauf für die traditionellen Veranstaltungen erwartet er nicht. Vielmehr rechnet man in der Friedensbewegung mit einer Beteiligung auf dem Niveau der Vorjahre. Die Hauptsorge der Organisatoren gilt nicht den Turbulenzen um die Mahnwachen, sondern denen des Wetters. Die Aussichten für das Wochenende sind nämlich weiterhin trüb.

Termine: www.ostermarsch-info.de

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