nd-aktuell.de / 04.04.2015 / Kultur / Seite 2

Hart aber Ei

Personalie: Das Osterei

Ingolf Bossenz

Es gibt Sätze, die in ihrer apodiktischen Unerbittlichkeit erratischen Blöcken gleich Fix- und Höhepunkte des in der Geschichte der Menschheit Gesprochenen und Geschriebenen darstellen. Hamlet- und Gretchenfrage gehören dazu, Uwe Barschels Ehrenwort und Erich Mielkes Liebesbekenntnis. Aber das drakonischste Diktum und zugleich der kälteste aller kalten Befunde ist zweifellos Loriots Verdikt »Berta, das Ei ist hart!«.

Das Ei: Klassiker des Kontingenten, Sinnbild alles Wünschbaren und Werdenden, Inbegriff des Möglichen und dennoch Unentschiedenen. Diese Potenz, dem noch nicht Seienden eine Chance zur Verwirklichung zu geben, ist plötzlich perdu. »Alles gackert, aber wer will noch still auf dem Neste sitzen und Eier brüten?«, klagte Nietzsche. Und folgerte: »Gelobt sei, was hart macht!« Nun ist es hart, das Ei. Und das ist lediglich die Spitze des Eibergs.

Schließlich haben wir wieder einmal Ostern und es folglich mit nicht nur einem harten Ei zu tun, sondern mit Hekatomben von Eiern, deren Härtegrade sicher differieren, aber es dennoch nicht erlauben, an diesem verstörenden, vernichtenden Urteil irgendwelche Abstriche zu machen.

Tröstlich erscheinen mag der Umstand, es mit gefärbten, nicht selten gar mit wagemutig bunt bemalten Gebilden zu tun zu haben. Es heißt ja nicht zufällig: farbenfroh. Doch allein der Umstand, dass unter der leuchtenden Schale alles hart (oder hohl - noch schlimmer) ist, lässt uns am Ende ästhetische Zuflucht suchen in der Form des Eis, die in der Tat an Perfektion schwer zu überbieten ist.

Ein Mann, der diesen Umstand zu schätzen wusste, war Helmut Kohl. Seine noch immer populäre Proposition »Entscheidend ist, was hinten rauskommt« bezog sich, wen wundert’s, natürlich auf das Ei und dessen so fragile wie vollendete Form. Umso verständlicher war Kohls Zorn, als 1991 ein Hallenser Hallodri auf dem Körper des Kanzlers ein solches Kunstwerk der Schöpfung zerschellen ließ. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass es zu Kohls 85. Geburtstag am Freitag Eierkuchen gab. Vielleicht ein Ei. Hart.