Poroschenko in der Bringepflicht

Kiew will mit einem Sonderstatus für den Donbass den politischen Preis des Friedens von Minsk-II nicht zahlen

  • Marian Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Verfassungsreform begleitet seit Wochenbeginn in der Ukraine den empfindlichen Waffenstillstand. Nun geht es auch um den neuen Status des Ostens.

Ein weiteres Außenministertreffen zur Umsetzung des Minsker Friedensplanes ist vereinbart. Für den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko klemmt es nur auf einer Seite: Die »von Russland unterstützten Kämpfer« müssten den Waffenstillstand einhalten und »alle Punkte der Minsker Vereinbarungen« erfüllen. Von den 13 Punkten des Friedensplanes von Minsk-II sind jedoch lediglich vier militärischen Inhalts und an beide Seiten adressiert. Die anderen enthalten politische Auflagen, bei denen Kiew in der Bringepflicht steht.

Das betrifft nicht nur nur den Erlass von Gesetzen zur Selbstverwaltung von Donezk und Lugansk, sondern die Aufnahme eines politischen Dialogs mit den Vertretern der Aufständischen. Der schließt die Reform der ukrainischen Verfassung mit dem Ziel der Dezentralisierung des gesamten ukrainischen Staates ein.

Eine Verfassungskommission nahm am Montag ihre Arbeit auf. Präsident Petro Poroschenko kündigte dabei eine Dezentralisierung der Machtbefugnisse an. Vertreter der »Volksrepubliken« des Donbass sind daran aber nicht beteiligt. Sie sehen die Pläne der Zentralregierung im Widerspruch zum Friedensplan für die Ostukraine.

Der Anhang zur Minsker Vereinbarung vom Februar 2015 macht sehr klare Vorgaben für das durch das Kiewer Parlament zu beschließenden Selbstverwaltungsgesetz für die abtrünnigen Gebiete in Donezk und Lugansk. Sie betreffen nicht nur die Gewährleistung der russischen Sprache, sondern auch die Bildung eigener Polizeiformationen und die Mitbestimmung bei der Besetzung der örtlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften.

Die Gebiete sollen eigenständig wirtschaftliche Kooperationsbeziehungen zu Russland aufnehmen können. Außerdem solle mit dem Gesetz auch eine Amnestie und die Abhaltung lokaler Wahlen geregelt werden. Das im März vom ukrainischen Parlament beschlossene Selbstverwaltungsgesetz ist weder im Dialog mit den politischen Vertretern der Aufständischen erarbeitet worden, noch berücksichtigt es die erwähnten Vorgaben. Die Oberhäupter der nicht anerkannten Republiken Donezk und Lugansk, Alexander Sachartschenko und Jurij Plotnizki hatten es umgehend zurückgewiesen.

Für beide, so der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin, solle auch die geforderte Amnestie nicht gelten. Auch dies ist ein Verstoß gegen die Minsker Vereinbarung. Es geht hier nicht nur um Sachartschenko und Plotnizki. Wenn Kiew die Verantwortungsträger der abtrünnigen Republiken weiter als Staatsfeinde behandelt, wird es in Donezk und Lugansk weder Wahlen und eine Verfassungsreform noch Frieden geben können.

Auch hinsichtlich des gesamten sozialen und ökonomischen Komplexes der Vereinbarung kommt Kiew seinen Verpflichtungen nicht nach. Sachartschenko bezifferte unlängst die »sozialen Schulden« Kiews bei der Bevölkerung des Donbass auf nunmehr 100 Milliarden Griwna (rund 3,91 Milliarden Euro).

Poroschenko hat auch seinen Erlass vom November 2014 nicht zurückgenommen, alle staatlichen Einrichtungen, Banken und sogar Gefängnisse aus der Region Donbass abzuziehen. Seitdem müssen sich die Rentner auf dem von Kiew kontrollierten Territorium registrieren lassen, um ihre Rente zu bekommen. Diese Praxis wird ungeachtet der Minsker Vereinbarung fortgesetzt.

Von der in Minsk geforderten Wiederaufbauhilfe kann ebenfalls keine Rede sein, vielmehr melden die Medien der Aufständischen, dass die ukrainischen Truppen in den besetzten Gebieten im Osten Brücken und andere Teile der Infrastrukturen in die Luft sprengen.

Die Minsker Vereinbarung verlangt von Kiew, die Aufständischen im Osten nicht weiter als Staatsfeinde zu behandeln, sondern als Partner im Dialog über eine Verfassungsreform. Dafür wird der Ukraine die friedliche Wiederherstellung der staatlichen Souveränität in Aussicht gestellt. Kiew scheint dagegen an der Fiktion der militärischen »Befreiung« der Gebiete festzuhalten.

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