Wenn der Laizismus zum Deckmantel wird

Frankreichs Rechte heizen antiislamische Vorbehalte an und berufen sich dabei auf die strikte Trennung von Staat und Kirche

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Nicht nur die rechtsradikale Front National, auch Sarkozys UMP versucht, den verfassungsrechtlich verankerten Laizismus in Frankreich für eigene politische Ziele zu instrumentalisieren.

Laizismus, also die strikte Neutralität des Staates gegenüber allen Religionen, gehört zu den Grundlagen der französischen Republik. Per Gesetz wurde 1905 die Trennung von Kirche und Staat verfügt und seit 1946 steht im Artikel 1 der Verfassung, dass Frankreich eine »laizistische demokratische und soziale Republik« ist, die die »Gleichheit aller Bürger unabhängig von Herkunft, Rasse und Religion« sichert und »alle Glaubensrichtungen respektiert«. Das im täglichen Leben durchzuhalten, ist nicht immer einfach. Zumal rechte und rechtsextreme Kräfte versuchen, den Laizismus für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Seit den blutigen Anschlägen islamistischer Terroristen im Januar wetteifern die rechtsbürgerliche Oppositionspartei UMP und die rechtsradikale Front National (FN) darum, wer die antiislamischen Vorbehalte in der Bevölkerung am besten bedienen kann - ein Thema auch der jüngsten Départementswahlen. Die Zahl der Brandanschläge auf islamische Einrichtungen wie der Angriffe auf Muslime steigt, und die antiislamische Propaganda unter dem Deckmantel des Laizismus geht weiter denn je.

So hat der UMP-Bürgermeister von Chalon-sur-Saône, Gilles Platret, mit seiner Entscheidung Aufsehen erregt, beim Schulessen kein »Alternativgericht« mehr anzubieten, wenn Schweinefleisch auf dem Speisezettel steht. Das gab es seit 30 Jahren. Platret kann sich darauf berufen, dass Jacques Toubon, der Beauftragte für die Einhaltung der Rechte der Bürger, den Kommunen erst unlängst wieder bescheinigt hat, dass Eltern keinen Anspruch auf Schulessen haben, das religiöse Essvorschriften berücksichtigt. Im Interesse des friedlichen Zusammenlebens aller Gemeinschaften bieten aber viele - auch rechtsregierte - Kommunen bewusst Wahlessen mit vegetarischen Speisen an. Doch von Nicolas Sarkozy bekam der Scharfmacher aus Chalon demonstrative Unterstützung. »Wem das nicht passt, der kann ja seine Kinder auf eine Privatschule schicken«, meinte der Parteichef in einem Fernsehinterview. »Die Republik ist laizistisch und wir verteidigen unsere Traditionen und unsere Art zu leben.«

Solche Töne kennt man bisher vor allem von der Front National. Ihre 2014 gewählten Bürgermeister grenzen muslimische Bürger bewusst aus. Auch wenn es um das hochgespielte Thema des umstrittenen Baus von Moscheen geht. Die neuen FN-Bürgermeister haben überall die bereits von ihren Vorgängern erteilten Genehmigungen aufgekündigt, selbst wenn das eindeutig rechtswidrig ist und Prozesse mit hohen Schadenersatzzahlungen drohen. Demagogisch wird erklärt, man wolle zunächst die »undurchsichtige Finanzierung« solcher Projekte durch »Geld aus dem Ausland« aufklären. Auf diese Argumentation haben sich nun auch die führenden UMP-Politiker eingeschossen.

Einerseits ist nicht nur das, sondern auch die Anstellung und Besoldung der Imame, der Vorbeter, tatsächlich ein ungelöstes Problem. Während die Unterhaltung der in der Französischen Revolution nationalisierten christlichen Kirchen Sache des Staates und der Kommunen ist und die Religionsgemeinschaften sie kostenlos nutzen können, darf der Staat keinen Euro für den Bau von Moscheen geben. Aus öffentlichen Kassen besoldete Imame gibt es nur in den Gefängnissen. So kommen viele der Vorbeter ebenso wie Millionen Euro für Bauprojekte aus Marokko, Algerien und den Golfstaaten, die damit durchaus unkontrollierten Einfluss ausüben können.

Doch über eine Reform, um diesen Fehlentwicklungen Einhalt zu gebieten, wird zwar seit Jahren diskutiert, nur hat bisher keine rechte oder linke Regierung das heiße Thema entschlossen angepackt. Die Auseinandersetzungen 2005/2006 um das gesetzliche Verbot von Kopftüchern in öffentlichen Schulen und an Arbeitsplätzen in staatlichen oder öffentlich-rechtlichen Betrieben und Einrichtungen haben da Spuren hinterlassen. Dessen ungeachtet heizt Sarkozy das Thema jetzt erneut an, indem er auch ein Verbot von Kopftüchern an Universitäten fordert, wo sie bislang toleriert werden. Auf diese Idee war noch nicht einmal Marine Le Pen gekommen, die aber sofort nachgezogen hat.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal