Allium cepa - fast ein Medikament

Frische Frühlingszwiebeln halten den Infekt in Schach und tun dem Herzen gut

  • Dorothee L. Weiß
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Heilpflanze des Jahres ist ein Universalgenie. Allium cepa taugt als Würzmittel, Gemüse und Naturmedizin, beeinflusst die Gesundheit von Darm, Herz, Kreislauf, Atemwegen und Stoffwechsel.

»Ob der Husten allein mit Zwiebelsaft erfolgreich zu kurieren ist?«, fragt eine zweifelnde Großmutter, die der Ansicht ist, um den Infekt des Enkelkindes zu heilen, brauche »es wohl doch ein Antibiotikum!«

Doch das ist nicht gesagt. Die in der Zwiebel enthaltenen Lauch- und Senföle stellte Dr. med. E. Schneider schon vor Jahren in seinem Buch »Nutze die Heilkraft der Nahrung«als wichtigste Mittel zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten dem Antibiotikum Penicillin gegenüber. Zur Gruppe der Penicilline gehört auch das Amoxicillin, dessen Nebenwirkungen oftmals den Gesamtorganismus schwächen und das daher von vielen Ärzten bereits seltener verschrieben wird.

Die Zwiebel hingegen hat keinen negativen Einfluss auf die natürliche Darmflora, hält jedoch Bakterien, die als Entzündungs- bzw. Eitererreger gelten, in Schach und fördert die erwünschten normalen Coli-Bakterien. Zusammen mit geduldigem Auskurieren von Erkältungen, regelmäßiger Bewegung an frischer Luft sowie einer Reduktion von Kuhmilch auf maximal 10 Prozent der täglichen Proteinzufuhr kann sie Infekte durchaus in Schach halten. Und Zwiebelsaft kann man einem Kind bereits ab dem 13. Lebensmonat mit ruhigem Gewissen verabreichen.

Der Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, betont daher vor allem die krampf- wie schleimlösende, auswurffördernde und dabei hustenreizlindernde Wirkung der Zwiebel. Viele Anhänger der Naturheilkunde setzen zudem nicht unbedingt auf schnellste Bekämpfung, sondern begrüßen gar einen Infekt der Atemwege. Der Grund: Sie sehen den dabei produzierten Schleim auch als eine Möglichkeit der Ausscheidung von Staub, gerade bei starker Luftverschmutzung der Innenstädte, und damit insgesamt hilfreich für eine Reinigung der Schleimhäute.

Schnelle Wirkung wird Allium cepa bei Ohrenbeschwerden bescheinigt. Gerade bei Mittelohrentzündungen muss für das schulmedizinisch für gewöhnlich verordnete Antibiotikum konstatiert werden, dass es recht schwer zu dem Ort gelangt, an dem es wirken soll. So werden relativ hohe Dosierungen erforderlich. Die Wirkstoffe aus klein gewürfelten Zwiebeln hingegen, die am besten in einen trockenen Waschhandschuh gefüllt werden, den man als Wickel aufs Ohr legt und mit einer Mütze fixiert, gelangen besser an den Entzündungsherd.

Charakteristisch für die Zwiebel ist die im Zellplasma enthaltene schwefelhaltige Aminosäure Isoalliin. Schneidet man die Frucht an, kommen verschiedene chemische Reaktionen in Gang, es entsteht unter anderem Propanthial-S-oxid, das die Schleimhäute reizt und uns zum Weinen bringt. Der Schwefel ist in Zwiebelgewächsen organisch gebunden, das macht einen wichtigen Unterschied zu schwefelhaltigen Lebensmittelzusätzen, z.B. den Konservierungsmitteln E 220 bis E 228 der Nahrungsmittelindustrie. Während die organisch gebundenen Schwefelverbindungen gegen Husten helfen, kann das beim Schwefeln entstehende anorganische Schwefeldioxid bei Patienten mit Asthma oder Pseudokrupp sogar Hustenanfälle hervorrufen.

Aber nicht nur gegen die im Frühling häufig noch einmal auftretenden Atemwegsinfekte vermag die Familie der Zwiebelgewächse sowie der Rettiche und Kohlarten zu helfen, auch und gerade das Herz-Kreislaufsystem danken dem beißend riechenden Allicin und dem tränenauslösenden Thiopropanalsulfoxid. Beide gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen, deren positiver Einfluss auf die Blutgerinnung und die Vorbeugung von Magenkrebs belegt ist.

Die Zwiebel wirkt den häufigsten Ursachen der koronaren Herzkrankheit entgegen, indem sie beispielsweise den Zuckerstoffwechsel verbessert. Verantwortlich dafür ist der Wirkstoff Glucokinin, der ähnlich wie das Insulin der Bauchspeicheldrüse den Zuckerstoffwechsel fördert und so den Zuckergehalt im Blut senkt. Auf diese Weise kann einer Verdickung der Arterien vorgebeugt werden, durch die das Blut nur mit größerem Druck und größerer Anstrengung für das Herz gepumpt werden könnte. Zugleich wird durch die Zwiebel verhindert, dass die Menge freier Aminosäuren im Blut abnimmt und aus einem ständig erhöhten Insulinspiegel ein größerer Appetit auf proteinhaltige Speisen wie Fleisch, Wurst, Eier und Käse resultiert. Indem die Zwiebel das Blut verdünnt und besser fließfähig macht, putzt sie die Herzkranzgefäße. Außerdem vertreiben Zwiebel, Bärlauch und Knoblauch Wasseransammlungen zwischen den Brustfellen oder im Herzbeutel. Ein kurzfristig leicht erhöhter Blutdruck kann mit Hilfe des grünen Zwiebellauchs - roh genossen - im Limit gehalten werden.

Bei Herzerkrankungen gilt es, eher Zucker und schnell verdauliche Kohlenhydrate einzuschränken, als jegliches Fett. Gesunde Fette - z.B. aus Walnüssen, Leinöl, süßen Mandeln oder Kokos-Chips - nähren das Hirn und schützen das Herz. Frische Frühlingszwiebeln mit ihren Vitaminen B, C und E unterstützen eine herzfreundliche Ernährung. Der leicht süßliche Geschmack von Gemüsezwiebeln bildet übrigens einen wunderbaren Ausgleich zum herben Geschmack von Spinat und Brennnesseln.

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