Was tun Eltern, wenn die Kita streikt?

Gewerkschaften geben Tipps für Berufstätige mit Nachwuchs / Unternehmen bieten Unterstützung an

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn die Kitas dicht sind, werden sie auch nicht geputzt. Bekommen Gebäudereiniger trotzdem Geld? Und was machen Eltern, wenn sie nicht arbeiten gehen können? Mit dem Kitastreik kommen Fragen auf.

Fenster in verwaisten Räumen quietschen im Wind, Wollmäuse veranstalten Wettrennen unter Spielebenen, unter Schultischen und Werkbänken. Wo gerade noch Kinderkreischen die Luft erzittern ließ, ist gespenstische Leere: Der unbefristete Kitastreik ist angelaufen, entfaltet seine Wirkung, wird ausgeweitet. Das erdachte Szenario könnte in vielen kommunalen Kitas und Sozialeinrichtungen in den nächsten Wochen Realität werden.

Die Gewerkschaften ver.di, GEW und der Deutsche Beamtenbund (dbb) kämpfen für neue Eingruppierungen und die Beschreibung neuer Tätigkeitsmerkmale für die insgesamt rund 240 000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst. Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände stellt sich stur, Tarifverhandlungen scheitern, es kommt zur Urabstimmung, zum Streik. So ist der Gang der Dinge. Und weil in den kommunalen Kitas nicht gearbeitet wird, sind sie dicht, und weil sie dicht sind, werden sie nicht geputzt.

Wie gehen betroffene Eltern mit den Streiks um, was können sie tun? Die GEW und ver.di betonen auf ihren Homepages, dass zwar die Eltern in erster Linie Leidtragende des Streiks seien, dieser sich aber nicht gegen sie richte. Das dürfte vielen nicht helfen, wenn sie auf der Suche nach einer Kinderbetreuung sind oder mit ihrem Chef verhandeln müssen, wie sie Beruf und Familie in der Ausnahmesituation unter einen Hut bekommen.

Einfach fernbleiben geht nicht. Wenn Eltern mangels alternativer Betreuungsmöglichkeiten nicht zur Arbeit gehen können, müssen sie Bescheid sagen. Einen Tag können sie ohne Lohnkürzung wegbleiben. Parole: Verhinderung ohne Verschulden. Dauere der Streik länger, müssten individuelle Lösungen gefunden werden, schreibt etwa die GEW. Dazu zählten Überstundenabbau, unbezahlte Freistellung oder Urlaubstage. Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergibt sich jedoch, dass Beschäftigte freigestellt werden müssen, wäre das Kind sonst unbetreut. Aber zumutbar sei, dass sie sich Urlaub nehmen müssen.

Auch auf die Frage, ob Eltern den Kitabeitrag zurückfordern können, geben GEW und ver.di Antworten: Grundsätzlich gehören Kitagebühren zu den öffentlich-rechtlichen Gebühren, heißt es bei ver.di. Sie müssen auch bezahlt werden, wenn die Einrichtung geschlossen ist. Änderungen von der Regel sind etwa auf Basis eines Gemeinderatsbeschlusses möglich. Die GEW schreibt überdies, während des Streiks sparten die Kommunen kräftig, weil sie Gebühren kassierten, aber den Streikenden keine Löhne zahlten. Darum sei die Rückforderung des Kitabeitrags »ein geeignetes Mittel, sich mit den Beschäftigten zu solidarisieren«. Rechtlich sicher sei die Rückerstattung aber nicht.

Die IG BAU, die unter anderem für die Betreuung Beschäftigter in der Gebäudereinigung zuständig ist, riet diesen, sich beraten zu lassen, wenn sich aus dem Streik Probleme mit der Lohnzahlung ergäben. »Die Unternehmen bekommen ja das Geld von den Kommunen weiter, dann müssen sie auch die Löhne weiterzahlen« - auch wenn die Kita dicht ist und nicht geputzt werden kann, sagte IG-BAU-Sprecher Ruprecht Hammerschmidt auf nd-Anfrage. Ein Problem sei aber, dass viele Beschäftigte das nicht wüssten. »Sie müssen ihre Arbeitskraft anbieten, einfach zu Hause bleiben geht nicht.« Das Unternehmen könne ihnen ein anderes zu reinigendes Objekt anbieten. »Das Risiko liegt beim Unternehmen, nicht bei den Beschäftigten«, sagt Hammerschmidt. Wenn es für Gebäudereiniger keine Arbeit gibt wegen des Streiks, dann bekommen sie trotzdem Lohn.

Nach Medienberichten haben verschiedene Unternehmen ihren Beschäftigten Unterstützung bei der Kinderbetreuung angeboten. Wie das weiterhin geschieht, ob es wie von der IG Metall vorige Woche unter dem Stichwort »Kita-Konto« in ihrem Organisationsbereich gefordert, flexible Arbeitszeitmodelle für die Dauer der Streiks geben wird, werden die nächsten Tage zeigen. Der Ausstand wird vermutlich einige Wochen dauern.

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