Wasserstoff statt Benzin

Toyotas erstes Brennstoffzellen-Serienmodell Mirai ist in Japan ein Erfolg. Von Felix Lill, Tokio

  • Von Felix Lill, Tokio
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Hätte man das erwartet? Seit Jahren werben Hersteller von Elektroautos mit Umweltfreundlichkeit, aber der Absatz lahmt. Zu lange hängen sie an der Steckdose, sind aber zu wenig leistungsfähig, so lautet die häufigste Kritik. Nun aber hat der japanische Autobauer Toyota seit kaum einem halben Jahr den ersten in Serie produzierten Wasserstoffwagen auf dem Markt - und kommt mit der Produktion nicht hinterher. Für den Mirai, japanisch für Zukunft, gingen in Japan innerhalb der ersten vier Wochen 1500 Bestellungen ein. Für das ganze erste Jahr hatte Toyota nur mit 400 Einheiten kalkuliert.

Schnellstmöglich will man die Produktion ausweiten: 700 Einheiten für 2015, 2000 im kommenden Jahr, ab 2016 dann 3000 Stück. Der Hersteller ist überrascht vom eigenen Erfolg, sieht sich aber auch bestätigt. Schließlich bezeichnet Toyota das Auto als den Beginn »einer neuen Ära der Mobilität.« Ein Auto eben, das ohne fossile Brennstoffe fährt, also nicht mehr die Umwelt verschmutzt. »Wir müssen in die nächsten 100 Jahre denken«, so formuliert Toyotas Chefingenieur Yoshikazu Tanaka, »und dabei hilft uns dieser Wagen.«

Ab September auch in Deutschland

Im September soll das erste in Serie gefertigte Wasserstoffauto auch in Deutschland zu den Händlern rollen. Zum gewaltigen Einstiegspreis von 78 540 Euro kommt das 154 PS starke Modell an den Kunden. Die Brennstoffzelle (mit 3,1 kW Leistung pro Liter Bauvolumen die weltweit effizienteste) wandelt Wasserstoff in elektrische Energie um, die wiederum den Elektromotor antreibt. nd

Das erste Wasserstoffauto ist der Mirai nicht. Schon in den 1990er Jahren experimentierte Mercedes Benz mit Brennstoffzellen, ebenso taten dies unter anderem Fiat, Peugeot und Chrysler. Auch ist Toyota derzeit nicht der einzige Hersteller, der sich von Wasserstoffautos etwas verspricht: Der heimische Konkurrent Nissan arbeitet an einem Brennstoffzellenantrieb, genauso wie Ford, Mercedes, General Motors und Hyundai. Zwischen 2016 und 2017 wollen einige Hersteller ihre eigenen Modelle auf den Markt bringen. Mit seiner schon angelaufenen Serienproduktion ist Toyota aber einen Schritt voraus.

Das ist nicht zum ersten Mal so. 1997 kam mit dem »Prius« der weltweit erste massenproduzierte Hybridwagen auf den Markt. Dem Modell folgte der Plug-in-Hybrid, der sich über Steckdose aufladen und in drei verschiedenen Energiemodi fahren lässt. Der Elektromotor des Mirai funktioniert nun eben mit einer Brennstoffzelle. Durch den genutzten Wasserstoff wird kein CO2 ausgestoßen, im Zusammenspiel mit Sauerstoff wird der Strom erzeugt, der den Motor antreibt. Den Mirai soll eine Tankfüllung immerhin 500 Kilometer weit tragen, das Volltanken dauert laut Hersteller drei Minuten, wodurch der Wagen mit herkömmlichen Modellen durchaus mithalten kann. Auch die Höchstgeschwindigkeit von 178 Stundenkilometern ist respektabel. Diverse Autotester aus Japan loben das Modell - nicht selten mit verdutzten Bewertungen wie: »Es fährt sich wie ein richtiges Auto.«

Mitte Dezember 2014 kam der Mirai in Japan auf den Markt, Europa soll das Auto im September 2015 erreichen. Der für Deutschland geplante Kaufpreis von rund 78 540 Euro macht die Kaufentscheidung für hiesige Käufer allerdings nicht eben leicht, zumal es Toyota über die vergangenen Jahrzehnte vor allem deshalb zum größten Autobauer der Welt schaffte, weil die Firma passable Modelle preisgünstiger als die Konkurrenz anbot. Selbst Modelle der Toyota-Luxuslinie Lexus erreichen oft nicht die Preise anderer Premiummarken.

Dass sich der Mirai dennoch gut verkauft, ist für Toyota ein großer Erfolg. Denn noch besteht für MiraiFahrer das Problem, dass es weder in Japan noch anderswo besonders viele Zapfsäulen mit Wasserstoff gibt. In Deutschland sollen es derzeit etwa 20 Stück sein, die Zahl soll sich aber bis 2016 auf rund 50 erhöhen und danach vervielfachen. Im Herkunftsland des Mirai sieht die Lage ähnlich aus, landesweit sind es derzeit nur 40 Stationen, an denen Wasserstoff getankt werden kann. Allerdings plant der Multikonzern JX Holdings 2000 neue Stationen zu bauen - bis 2020, wenn in Tokio die Olympischen Sommerspiele steigen. JX betont, dass die Wasserstoffsäulen auch in der Provinz errichtet werden sollen, und nicht nur in Großstädten. Die Zukunft ist also vielversprechend, aber noch einige Jahre wird das Netzwerk nicht annähernd so weit ausgebaut sein, dass sich davon abhängige Autos wie der Mirai auch jenseits eines Kreises von Liebhabern verkaufen könnten.

Warum aber wird das Auto dennoch so gut angenommen? Knapp zwei Drittel aller Anfragen nach dem Mirai kommen bisher aus dem öffentlichen Sektor oder der Privatwirtschaft als Dienstwagen. Bei fast 40 Prozent der Käufer handelt es sich aber um Privatkunden, von denen die meisten laut Toyota über 65 Jahre sind - damit also jener Gruppe der japanischen Gesellschaft angehören, die mehr Vermögen angehäuft hat als jede andere Generation. Zudem dürfte es sich häufig um Leute handeln, die schon länger Toyota-Kunden sind, und aufgrund des Alters womöglich auch zu den ersten Käufern des Prius gehörten.

Für sie ist der Wagen bisher eher ein Ausdruck bewussten Konsums und eine Investition in die Zukunft, wenn das Tanken einfacher werden soll. Ein gutes Zeichen kam Ende März: In Tokio eröffnete die erste mobile Wasserstofftankstelle, die selbst in einen Truck integriert ist. Sie ist geöffnet von 9 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts, ein Kilo Wasserstoff kostet derzeit 1200 Yen (rund 9,20 Euro), bei den 4,3 Kilo Kapazität kostet Volltanken beim Mirai diese Tage 5160 Yen (rund 40 Euro). Aber so erfreulich die Eröffnung für neue Besitzer eines Mirai auch ist: Bisher eignet sich das Auto durch den Mangel an Tankstellen eher für den Stadtverkehr und es erfordert dennoch eine gute Planung.

Dass der Mirai derzeit ein kleiner Verkaufserfolg ist, liegt aber auch daran, dass Toyota die Messlatte ziemlich niedrig angelegt hat. Die bisherige Fertigungszahl ist noch viel zu gering, um den Gesamt-Treibstoffausstoß in einem merklichen Ausmaß zu beeinflussen. Derzeit handelt es sich auch nicht um Massenproduktion, pro Tag werden nur drei Exemplare fertig. In den kommenden zehn Jahren will Toyota aber zumindest einige Zehntausend Einheiten herstellen. Bis sich der Wagen betriebswirtschaftlich rechnet, dürften auch dann noch einige Jahre vergehen, nicht nur wegen der rund 20 Jahre langen Entwicklungsarbeit. Auch die einstige Hybridsensation Prius brauchte rund zehn Jahre, ehe sich eine Million Einheiten verkauft hatten. Heutzutage aber wird pro Jahr etwa eine Million abgesetzt.

Inwiefern der Mirai wirklich umweltfreundlich ist, hat Toyota nicht allein in der Hand. Denn nicht bloß die Abwesenheit von CO2-Ausstößen beim Fahren ist entscheidend. Es geht auch darum, wie der Wasserstoff, der ins Auto kommt, hergestellt wurde. Kommt das explosive Gemisch nicht aus erneuerbaren Energien, ist die schadstofffreie Fahrt nur noch halb so viel wert. Andererseits bewirbt Toyota das Auto mit einem weiteren Highlight: »Der Mirai kann auch als Hochleistungsnotstromaggregat eingesetzt werden«, wie es in Broschüren und auf der Website heißt.

Über einen Stecker im Kofferraum kann mit bis zu 60 Kilowattstunden Strom sogar ein Haus versorgt werden. Gerade in einem erdbebengefährdeten Land wie Japan kann eine solche Fähigkeit als mindestens genauso wichtig eingeschätzt werden wie die Umweltfreundlichkeit.

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