Berliner Desaster

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Einsturzgefährdete Bauten, chronischer Lehrermangel, Unterrichtsausfall und fehlende Schulplätze. Berlins Bildungspolitik lebt vom Drama. So berichtete tagesspiegel.de Anfang dieser Woche von den Missständen und erntet Sarkasmus in den Kommentaren. »Zuzug von Familien, mehr Kinder - zwar merkt man das auf dem Wohnungsmarkt schon seit Jahren nur bei der Schulverwaltung sind Arroganz und Wahrnehmungsstörungen Alltag. 35 Kinder haben wir heute schon in den Klassen, jetzt werden langsam die Stühle knapp - auch dass die Hälfte der Schülerschaft den Fachunterricht vom Flur verfolgen darf, soll schon mal vorkommen. Inklusion, Begabtenförderung oder gar Förderunterricht soll die Schule leisten, ach, Lehrer brauchen wir auch noch. Damit kann Politik nun wirklich nicht rechnen. Alternativ könnte man das neue Stadtschloss als Schule nutzen und die Kinder im Hörsaal mit 500 Kindern unterrichten«, postet henny. In diesen Unmut platzt die Nachricht, dass das IT-Konzept eGovernment@school, über das die Schulen in Berlin Daten ihrer Schüler nach einem einheitlichen System an eigenen Servern eingeben und der Bildungsverwaltung übermitteln, nach gut sechs Jahren gestoppt wird. Damit lösten sich 38 Millionen des auf 60 Millionen Euro geschätzten Projekts in Luft auf. Begründet hat man diesen Schritt laut rbb.de mit dem »hohen Aufwand«, der betrieben werden müsse, um die Datensicherheit in den 700 Schulen zu überprüfen. Zur Erinnerung: Seit 2009 bemüht man sich um die Realisierung einer IT-Plattform mit einer dreigegliederten IT-Infrastruktur. Hierzu gehören unter anderem Server, Netze, End- und Peripheriegeräte, IT-Dienste und Anwendungssoftware. Das System sollte alle Beteiligten wie Schulen, Schulaufsichtsbehörde und Schulträger/Bezirke in »ihren Informations- und Entscheidungsprozessen bedarfsgerecht unterstützen und entlasten«, so die Bildungsverwaltung auf parlament-berlin.de. Doch »verschiedene Hemmnisse« hätten dazu geführt, dass die Umsetzung »bisher nicht im geplanten Umfang« habe stattfinden können. Nach Evaluation eigens eingesetzter Experten habe man beschlossen, auf die »Installation an jeder Schule« zu verzichten. Stattdessen könnten die Schulen auf die in einem »zentralen Rechenzentrum bereitgestellte webbasierte und mandantenfähige Schulmanagementsoftware« zugreifen.

Harsche Kritik hagelte es im Netz, so vom CDU-Schulexperten Stefan Schlede, der die Hinwendung zu einer »einheitlichen Schülerdatei« für »katastrophal« hält. Die gezahlten Millionen hätten »weder zu einer gemeinsamen IT-Infrastruktur noch zu einem einheitlichen IT-System für die Verwaltung und Systematisierung von Schülerlisten oder Lehrerbedarfen geführt. Stattdessen seien die Bezirke und Schulen mit überflüssigen Serverräumen und 6000 inzwischen technisch völlig überholten Computern allein gelassen worden.«

Auf tagesspiegel.de fragt TSCH, »warum ein weiteres finanzielles Desaster schon wieder keine Folgen für die Verantwortlichen« habe. Am Ende philosophiert eli_genf: »Wie auch beim BER, der Staatsoper, bei allen anderen Baustellen Berlins, das Geld ist nicht weg! Es ist nur woanders.« Lena Tietgen

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