Saatgut für alle

Vor dem G7-Gipfel in Elmau: Agrarkonzerne profitieren vom Kampf gegen Hunger

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Die G7 sprechen von Welternährung, überlassen den Kampf gegen Hunger aber wenigen Konzernen. In Elmau wird auch für Ernährungssouveränität demonstriert.

Wenn in der kommenden Woche gegen das Treffen der G7-Staaten im bayrischen Elmau protestiert wird, werden auch Bäuerinnen und Bauern dabei sein. Wohl weniger die bayrischen Landwirte, denen empfohlen wurde, Gülle auf ihre Felder zu kippen als Mittel gegen die Zelte der Gipfelgegner. Unter den Protestlern sind international vernetzte Landwirte, die gegen Freihandel, Agrarindustrie und Monopolbildung kämpfen.

Denn die Dominanz von Agrar- und Ernährungskonzernen wächst stetig, unterstützt von den Regierungen der G7. Besonders deutlich zeigt sich diese Entwicklung auf dem Saatgutmarkt. Die zehn größten Saatgutkonzerne haben weltweit einen Marktanteil von 75 Prozent. Neun dieser Konzerne stammen aus G7-Staaten, unter ihnen Monsanto, Dupont und Bayer CropScience. Beschrieben ist diese Entwicklung in der neuen Broschüre »Konzernmacht grenzenlos«, die sieben Entwicklungsorganisationen im Vorfeld des G7-Gipfels veröffentlicht haben.

Diskutiert wurde das Thema Saatgut am Wochenende in Berlin auch auf der Konferenz »SaatMachtsatt« der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des Forums Umwelt und Entwicklung. Denn die Folgen der Marktkonzentration sind für die Landwirtschaft immens. So konzentrieren sich Saatgutkonzerne auf die Entwicklung einiger weniger Sorten, die sie global vermarkten. Durch diese Strategie hat sich die Vielfalt aller weltweit angebauten Kulturpflanzen im Laufe des 20. Jahrhunderts um 75 Prozent verringert. Dabei sei Vielfalt überlebenswichtig, erklärt Suman Saha, Vorsitzende der indischen Forschungsorganisation »Gene Campaign«. Sie berichtet von Saatgutbanken, die regional Saatgut weiterentwickeln, denn »das Wissen ist ja vorhanden«. Die Wissenschaftlerin arbeitet eng zusammen mit Bauern, die Reissorten mit verschiedenen Eigenschaften über Generationen hinweg aufbewahren. So können sie auf Dürre oder Schädlinge reagieren und die Saat je nach Lage des Ackers auswählen.

Aber durch Nachbauverbote und Lizenzverträge wächst die Abhängigkeit von den Konzernen. »Langfristig führt dies zu einer Ausweitung von Armut«, sagt Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung.

Welternährung war in den vergangenen Jahren immer wieder Schwerpunkt auf Gipfeltreffen. Programme wurden verabschiedet, die mit dem Ziel der Hungerbekämpfung Investitionen in die Landwirtschaft in Entwicklungsländern vereinfachen sollten - faktisch aber lediglich Konzernen neue Absatzmärkte verschaffen. »Mit der Gründung der G7-Initiative ›Neue Allianz für Ernährungssicherung‹ 2012 haben sich die G7 direkt in den Kampf um Saatgut in Afrika eingemischt«, so Stig Tanzmann, Agrarexperte von Brot für die Welt.

Die Folgen beschreibt Luís Muchanga, Direktor des mosambikanischen Kleinbauernverbands UNAC, der anlässlich des Gipfels nach Deutschland gereist ist. Er berichtet, wie das, was die G7 als Hungerbekämpfung bezeichnen, die Lebensgrundlagen tausender Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bedroht. »Vorher konnten sie ihr Saatgut untereinander tauschen«, erklärt Muchanga. »Mit der ›Neuen Allianz‹ hat Mosambik Gesetze verabschiedet, die die freie Verteilung von Saatgut verbieten und Kleinbauern zwingen, teures Saatgut bei Agrarkonzernen einzukaufen.«

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