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Athen: Die nächsten 48 Stunden werden entscheidend sein

EZB hebt ELA-Rahmen erneut an - aber im EZB-Rat wächst Widerstand gegen Notkredite / Vorschläge aus Athen von Gläubigern als »Diskussionsgrundlage« akzeptiert / SYRIZA-Abgeordnete kündigten Nein an

  • Lesedauer: 8 Min.

Update 15.15 Uhr: EU sieht »Argumente für eine längere Ausweitung« des Kreditprogramms
Eine Einigung zwischen Griechenland und den Gläubigern über das blockierte Kreditprogramm ist nach Einschätzung von EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis kurzfristig machbar. Der jüngste Plan der griechischen Regierung stimme in großen Zügen mit den Überlegungen der drei Institutionen überein, sagte der für den Euro verantwortliche Kommissar der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag in Brüssel. »Mit diesem Vorschlag ist eine Vereinbarung möglich, wenn beide Seiten ernsthaft in den nächsten ein oder zwei Tagen arbeiten.« Man müsse allerdings »noch überprüfen, ob die Vorschläge die bestmöglichen sind und alles stimmt«. Auch sei noch nicht entschieden, für welchen Zeitraum das eigentlich am 30. Juni auslaufende Krediprogramm verlängert werden solle. »Es scheint, dass es mehr Argumente gibt für eine längere Ausweitung. Ich stelle mir vor, dass dies Teil sein wird einer Abmachung in den nächsten Tagen.« Das Programm müsse auf europäischer Seite verlängert werden, da sonst noch bereitstehende Milliardenhilfen aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF nicht mehr für Athen zur Verfügung stünden. »Wir sind jetzt einem erfolgreichen Abschluss des Programms näher als noch in der zurückliegenden Woche«, resümierte Dombrovskis.

Update 15 Uhr: Im EZB-Rat wächst Widerstand gegen Notkredite
Innerhalb des EZB-Rats wächst offenbar der Widerstand gegen die Notkredite für die griechischen Banken. Am Montag hatte die Zentralbank den Rahmen erweitert, am Dienstag erneut. Ein Sprecher der Bundesbank sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP, es sei »allgemeiner Wunsch« des EZB-Rats, dass die Höhe der ELA-Erweiterungen nicht mehr kommuniziert werde. Innerhalb des Rats ist die Praxis, weitere Einlagenabflüsse griechischer Banken durch immer höhere Notfallkredite abzufedern, nicht unumstritten. Die Bundesbank sehe die Kredite an griechische Institute mit Skepsis, sagte deren Sprecher. Medienberichten zufolge votierte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bereits gegen weitere ELA-Kredite. Unter Berufung auf Finanzkreise berichtete »Die Welt«, »bei etlichen Ratsmitgliedern« wachse der Unmut, dass es in Griechenland nach wie vor keine sogenannten Kapitalverkehrskontrollen gebe, die den Geldabfluss ins Ausland einschränkten.

Update 12.05 Uhr: Reaktionen der griechischen Presse auf den Gipfelmontag
Griechenlands Medien sehen nach dem EU-Sondergipfel in Brüssel Regierungschef Alexis Tsipras in Erklärungsnöten. »Auf dem Weg zur Einigung mit Sparmaßnahmen in Höhe von 7,9 Milliarden Euro«, titelt die konservative Zeitung »Kathimerini« am Dienstag. Tsipras müsse jetzt seinem Parlament und seiner Partei erklären, warum er von seinen Wahlversprechen so sehr abweiche. Einen »Crash-Test für die Regierung« erwartet das Blatt. Aus Sicht der griechischen Öffentlichkeit hat Tsipras zuletzt erhebliche Zugeständnisse an die Gläubiger gemacht. »Wir zahlen acht Milliarden Euro und die Gläubiger wollen mehr«, titelt die Athener Zeitung »Ta Nea«. Es gebe zwar positive Reaktionen seitens der Verhandlungspartner, aber noch kein Wort über die Umstrukturierung des griechischen Schuldenberges. Tsipras stehe vor einer Konfrontation mit seiner Partei SYRIZA. »In die Richtung eines schmerzhaften Kompromisses«, schreibt die linke Zeitung »Efimerída ton Syntaktón« auf ihrer Titelseite. Tsipras wolle eine umfassende und dauerhafte Lösung. Die Lasten des neuen Sparprogramms würden dieses Mal die Reichen tragen, zitiert das Blatt den Regierungschef. »Sparabkommen - Schock«, titelt die konservative Athener Zeitung »Eleftheros Typos«. Die in der Hafenstadt Thessaloniki erscheinende Zeitung »Angeliaforos« schreibt: »22 Sparmaßnahmen - 7,9 Milliarden Euro«. Alexis Tsipras sei entschlossen, auch wenn es teuer wird, das Land aus der Zeit der Krise herauszuführen.

Update 11.30 Uhr: Athen: Die nächsten 48 Stunden werden entscheidend sein
Griechenland und seine Gläubiger sind nach Ansicht eines Athener Regierungssprechers nahe an einer Einigung. Es gebe einige Punkte über die man noch verhandelt, sagte Gabriel Sakellaridis am Dienstag aus Brüssel im griechischen Fernsehen weiter. Athen habe genaue Vorschläge vorgelegt. »Die Zeichen deuten darauf hin, dass wir ganz nahe an eine Übereinkunft sind«, sagte Sakellaridis. Sobald die Details einer Einigung stehen, werde der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras seine Regierung informieren. Danach werde das Parlament das Abkommen billigen, sagte Sakellaridis. Wann dies geschehen soll, ließ er offen – und warnte vor einem Scheitern. »Wenn das Abkommen nicht die Zustimmung der Abgeordneten der Regierungsmehrheit erhält, kann die Regierung nicht bestehen bleiben«, so Sakellaridis. Er appellierte an die »individuelle Verantwortung« der Parlamentarier. Der Druck der Gläubiger auf Athen, weitere Zugeständnisse zu machen, sei weiterhin hoch. Für seine Regierung komme es aber nicht infrage, über den jüngsten Vorschlag hinaus weitere Kürzungsmaßnahmen zu akzeptieren. »Wir brauchen bis zum Ende der Woche ein Abkommen und wir sind dazu bereit. Die nächsten 48 Stunden werden entscheidend sein«, sagte Sakellaridis.

Update 11.05 Uhr: EZB hebt Rahmen für ELA-Kredite erneut an
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den finanziellen Spielraum für griechische Banken ein weiteres Mal erweitert. Dies verlautete am Dienstag aus Bankkreisen in Athen. Es ist bereits das vierte Mal seit vergangenem Mittwoch, dass der Rahmen für die sogenannten ELA-Notkredite angehoben wird. Die Höhe der Anhebung wurde zunächst nicht bekannt. Das ELA-Programm ist derzeit die zentrale Finanzierungsquelle für die Banken in Griechenland. Die ELA-Kredite werden zu deutlich schlechteren Konditionen vergeben als die üblichen EZB-Darlehen. Einen Hintergrund dazu gibt es hier.

Sondergipfel klärt nur das Verfahren

Berlin. Es war ein Sondergipfel ohne Einigung - aber er ist nicht ergebnislos geblieben. Die SYRIZA-geführte Regierung und die Gläubiger, die seit Monaten das laufende Kreditprogramm blockieren, haben sich am Montagabend immerhin darauf verständigt, bis Donnerstagmorgen neue Ergebnisse in ihren Verhandlungen zu erzielen. Dazu wurde für Mittwochabend ein weiteres Treffen der Euro-Finanzminister angesetzt.

Zuvor hatte Athen neue und abermals veränderte Vorschläge präsentiert: Diese seien als »Diskussionsgrundlage« von den Gläubiger-Institutionen akzeptiert worden, sagte Premier Alexis Tsipras am Montagabend. »Der Ball liegt im Feld der europäischen Regierungen«, so der SYRIZA-Politiker. Grundlage eines Abkommens müsse »soziale Gerechtigkeit« sein, sagte der griechische Regierungschef.

Die neuen Vorschläge beinhalten allerdings Steuererhöhungen und Kürzungen im Haushalt. Athen ist laut Regierungskreisen nun bereit, die Mehrwertsteuer im Bereich Tourismus (Hotels, Tavernen und Cafés) zu erhöhen und die meisten Frührenten abzuschaffen. Rentenkürzungen soll es aber nicht geben. Seine Regierung werde »Renten und Löhne schützen«, sagte Tsipras.

Zudem sollen die Reichen des Landes mit einer Sondersteuer belegt werden. Unternehmen, die 2014 mehr als 500.000 Euro Gewinn machten, sollen Sondergewinnsteuer zahlen. Eine Immobiliensteuer, die die linke Regierung eigentlich abschaffen wollte, soll bestehen bleiben. Die Regierung will die Rüstungsausgaben zudem um 200 Millionen Euro zusammenstreichen. Dies hatte die SYRIZA-geführte Regierung schon früher vorgeschlagen, in Berichten wird nun der Eindruck erweckt, als ob Athen dies erst in den letzten Stunden »akzeptiert« habe.

Es dürfte allerdings nicht leicht für Tsipras werden, nach den vielen Zugeständnissen an die Gläubiger eine Einigung auch durch das eigene Parlament zu bekommen. Mehrere SYRIZA-Abgeordnete haben bereits ihr Nein angekündigt. Die neuen Vorschläge seien »extrem und unsozial« wird Giannis Mihelogiannakis von »Spiegel online« zitiert. Der stellvertretende Parlamentspräsident Alexis Mitropoulos sagte, »diese Maßnahmenliste kann das Parlament nicht passieren«. Die Koalition von SYRIZA mit der nationalistischen ANEL hat eine Mehrheit von 162 von 300 Parlamentssitzen.

Der linke Flügel von SYRIZA umfasst etwa 30 Prozent der Abgeordneten der Linkspartei. Schon länger wird hier darauf gedrängt, den Gläubigern nicht zu große Zugeständnisse zu machen. Costas Lapavitsas, einer der Wortführer der linken Plattform von SYRIZA, sagte »Zeit online«, er habe »die konkreten Vorschläge auch noch nicht gesehen, deshalb müssen wir das Ende der Verhandlungen abwarten. Wenn die Reformen aber vor allem aus Sparmaßnamen bestehen, die das tägliche Leben der Menschen in diesem Land weiter negativ beeinflussen, dann wird es erhebliche politische Probleme geben«. Viele SYRIZA-Abgeordnete »ob von der linken Seite oder nicht« würden sich dann »sehr schwer tun, einem solchen Programm zuzustimmen«.

Athens Vorschläge umfassen 7,9 Milliarden Euro
Einigung auf griechische Haushaltsziele bei Krisengipfel / Eurogruppe ohne Einigung: Neues Treffen diese Woche? / Deutsche Politiker machen gegen ELA-Notkredite Front - der Newsblog vom Montag zum Nachlesen

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte: »Ich bin überzeugt davon, dass wir zu einer abschließenden Einigung im Laufe dieser Woche kommen, aus dem einfachen Grund, dass wir diese Woche eine Einigung finden müssen.« IWF-Chefin Christine Lagarde sagte in Brüssel, es bleibe nicht mehr viel Zeit und noch viel Arbeit zu erledigen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker betonte, Griechenland und seine Gläubiger seien näher an einer Einigung »als jemals zuvor«. Auch Frankreichs Staatschef François Hollande zeigte sich zuversichtlich: »Wir bewegen uns auf eine Einigung zu.«

Der Sondergipfel klärte letztlich zwar das Verfahren, brachte aber inhaltlich keine Entscheidungen, etwa zu der griechische Forderung nach einer Schuldenreduzierung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, bis Mittwoch sei »absolut intensive Arbeit nötig«. Es stehe »nicht zur Debatte, dass wir Schulden in dem Sinne restrukturieren«, sagte Merkel dazu und verwies darauf, dass Athen vorerst keine Schulden aus dem zweiten Kreditprogramm zurückzahlen müsse. Insofern sei dies »nicht die akuteste Frage«. Auch über eine Verlängerung des zweiten Programms über Ende Juni hinaus sei am Montagabend nicht diskutiert worden, sagte die Kanzlerin. Und in der Frage eines neuen Programms habe die griechische Regierung selbst deutlich gemacht, dass sie »im Grunde kein drittes Programm möchte«.

Der Sondergipfel sei einberufen worden, »um ein Worst-Case-Szenario zu vermeiden«, das zu einem »chaotischen und unkontrollierbaren« Ende der Euro-Mitgliedschaft Griechenlands führen könne, versuchte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montagabend das Treffen zu verteidigen.

Athen geht das Geld aus, weil die Gläubiger seit August 2014 kein Geld mehr aus dem laufenden Kreditprogramm ausgezahlt haben, das Land aber hohe Schulden tragen muss. Alle Rückzahlungsverpflichtungen wurden bisher erfüllt, Ende Juni werden weitere rund 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig. Die Lage im Land hatte sich in den vergangenen Tagen zugespitzt, weil griechische Sparer aus Sorge vor einer Pleite, die auch durch Medienberichte und den politischen Druck der Gläubiger angetrieben wurde, immer mehr Geld von ihren Konten abhoben. Agenturen/nd

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