Ende des vergoldeten Atomzeitalters

Die Gemeinde Grafenrheinfeld profitierte jahrelang vom AKW - und hat für die Zeit danach vorgesorgt

  • Christiane Gläser
  • Lesedauer: 2 Min.
Das AKW bescherte Grafenrheinfeld jahrelang goldene Zeiten. Nun muss der 3500-Einwohner-Ort den Gürtel enger schnallen.

Noch zieht Wasserdampf in dicken Wolken aus den zwei mächtigen Kühltürmen in den Himmel. Doch ab Sonntagnacht bleiben die Kolosse ungenutzt - das AKW Grafenrheinfeld geht nach 33 Jahren vom Netz.

Das hat Folgen für den Ort - auch wenn Bürgermeisterin Sabine Lutz (parteilos) die dicke Kröte bereits vor drei Jahren schluckte: »Seitdem musste E.on keine Gewerbesteuer mehr zahlen.« Steuern in Höhe von mindestens 180 Millionen Euro habe die unterfränkische Gemeinde in den 30 Jahren mit dem AKW eingenommen. Seit 2012 fehlen sieben bis zwölf Millionen Euro jährlich in der Kasse. Doch jammern will Lutz nicht.

Auch viele Bürger sehen keinen Grund zum Schimpfen. »Der Ort konnte jahrelang im Überfluss leben«, sagt Annelore Dilba, die von ihrem Balkon auf die Kühltürme blickt. Straßen, Kanalisation, Telekommunikation, Hochwasserschutz - alles ist saniert, erneuert und ausgebaut. Die Gemeinde hat einen Naturbadesee, zwei Kitas, eine Grundschule, eine Bibliothek, eine Kulturhalle. Es gibt kaum Leerstand. Lutz und ihre Vorgänger stellten angesichts des lange absehbaren Atomausstiegs frühzeitig die Weichen. »Teilweise hatten wir Rücklagen von bis zu 40 Millionen Euro«, sagt die Bürgermeisterin. Dennoch merken die Bürger nun den Unterschied im Portemonnaie. Die Gemeinde erhöhte die Grundsteuer und hob die Kitagebühren an.

Wirtschaftlich ist Grafenrheinfeld längst nicht mehr vom Kraftwerk abhängig. Zahlreiche Firmen haben sich angesiedelt. Auf die 3500 Einwohner kommen rund 1200 Arbeitsplätze, rund 900 außerhalb des AKWs. »Grafenrheinfeld definiert sich nicht nur durch das Atomkraftwerk«, sagt Lutz.

Dennoch bleibt es auch in Zukunft ein Thema. Der Rückbau wird Jahre dauern und das Zwischenlager hat eine Betriebserlaubnis bis 2046. »Das AKW war vorher eine Gefahr und wird es auch in den nächsten Jahren sein«, sagt Gudrun Endres. Sie führt eine Eisdiele im Ort.

Naturschützer fürchten, dass wegen der ungeklärten Endlagerfrage Atommüll aus anderen Orten ins Zwischenlager gebracht wird. Auch seien eventuelle Flugzeugabstürze nicht ausreichend thematisiert worden. Eine Möglichkeit wäre, die Kuppel als Lagermöglichkeit nicht abzureißen, sagt Edo Günther vom Bund Naturschutz. Die Kühltürme dagegen dürften gern verschwinden: »Nur dann kann man sich sicher sein, dass das Ding nicht wieder angestellt wird.« dpa/nd

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