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Gifttod im Raubvogelhorst

In Schleswig-Holstein wurden seit 2005 mindestens 50 Seeadler gezielt getötet - jetzt ging die Serie weiter

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Sind Tierhasser am Werk oder stecken womöglich Interessen von Windparkbetreibern und Windparkinvestoren dahinter? Immer wieder werden in Schleswig-Holstein getötete Seeadler gefunden.

Es ist geradezu Stoff für einen Umweltkrimis: Gleich vier tote Seeadler wurden in diesen Tagen im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein gefunden - offenbar war vergiftet. Vorfälle dieser Art gab es bereits in den vergangenen Jahren mehrfach: 2010 ermittelte das Kieler Umweltministerium vier Vergiftungsfälle, ein Jahr später wurden drei derartige Fälle im Kreis Ostholstein nachgewiesen. Im Folgejahr wurde ein Seeadlerpaar nahe Lübeck gezielt getötet, 2013 fand man ein vergiftetes Paar im Kreis Ostholstein - in der Nähe war eine Windkraftanlage geplant.

Anfang dieses Jahres dann wurde ein Horst im Kreis Plön gezielt zerstört, im Februar ein zweiter nahe Stangheck im Kreis Schleswig-Flensburg. Im März verendete ein Seeadler, der von einer Spaziergängerin in einem Wald bei Heide aufgefunden wurde, an dem bereits seit dem Jahr 2002 verbotenen Insektizid Parathion (E 605).

Der jüngste Fall vor wenigen Tagen bei St. Michaelisdonn (Kreis Dithmarschen) schreckte die Vogelschützexperten besonders auf, denn diesmal wurden neben zwei erwachsenen Tieren auch zwei tote Jungvögel gefunden. Die Kadaver werden an der Universität Göttingen untersucht. Am Tatort wurden auch ein Schweinebein und eine tote Taube sichergestellt, die möglicherweise als Köder dienten und wohl vergiftet waren.

Die Statistik des international aktiven Komitees gegen den Vogelmord liefert traurige Zahlen: Seit 2005 wurden der Organisation mindestens 30 Fälle mit mindestens 50 toten Tieren bekannt, die in Schleswig-Holstein infolge gezielter Angriffe starben. Im Fall des Anschlags auf den Seeadlerhorst von Stangheck, bei dem eine 140 Jahre alte Eiche gefällt wurde, auf der sich in 30 Meter Höhe die Brutstätte befand, hat das Komitee 3000 Euro Belohnung für Hinweise auf den oder die Täter ausgelobt. Gleich drei geplante Windanlageflächen grenzten an den Stanghecker Tatort - die Staatsanwaltschaft in Flensburg ermittelt gegen unbekannt. Für Wilderei oder ähnliche Handlungen kann eine Geldstrafe, aber auch eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verhängt werden. Die Umweltorganisation WWF geht davon aus, dass es sich bei den bekannt gewordenen Funden nur um die Spitze des Eisberges handelt.

Derweil wird über die Hintergründe spekuliert. Sind bei einigen der Vergiftungsaktionen die Täter womöglich unter Geflügelhaltern zu suchen, die mit präparierten Ködern eigentlich dem Fuchs nachstellen und den Tod von Greifvögeln dabei billigend in Kauf nehmen? Oder steckt doch eine »Windkraft-Mafia« dahinter? Bei den 110 toten Seeadlern, die seit 1997 in Schleswig-Holstein registriert wurden, konnte in drei Vierteln aller Fälle die Todesursache ermittelt werden - das Gros starb nach Kollisionen mit Rotorblättern von Windkraftanlagen. Daher sind Genehmigungen für neue Windparks oder deren Aufrüstung im Umfeld eines Seeadler-Reviers tabu. Es gilt ein Schutzzonenradius von drei Kilometern um das Nest, die Flugkorridore etwa zu Nahrungsgewässern müssen mindestens 1000 Meter breit sein. Bei Anträgen für Windanlagen wird gerade um diese Kriterien oft hart gefeilscht - mit Gutachten und juristischer Hilfe.

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