Unsichere und sichere Verhältnisse

Straßenbahn als kleine Denkschule im Alltag

  • Mike Mlynar
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Begriff »Verhältnis« ist inhaltlich ein weit gefächerter. Ebenso wie der ihm nahestehende »Vergleich«. Solche Worteigenschaften verlocken zu bedeutungsschwangeren wie kalauernden Deutungen. Menschliche Verhältnisse seien unbeständig, wusste schon Sokrates, weshalb man im Glück nicht zu fröhlich und im Unglück nicht zu traurig sein sollte. Und zum Thema »Vergleich« notierte Friedrich II. einmal, dass ja auch eine Krone bloß ein Hut sei, allerdings einer, in den es hineinregnet.

Der Verweis auf Verhältnisse - einstige, unumkehrbare, gute, schlechte, alternativlose, künftige - begleitet uns täglich und will irgendwie fundierte Urteile suggerieren. Doch besagte Verhältnisse taugen oft nur so viel wie die schiefen oder unredlichen Vergleiche, die ihnen zugrunde liegen. Bei beweisheischenden Eingansformulierungen wie »Im Vergleich zu ...« sollte man deshalb zusammenzucken und den Kopf einschalten. Vergleichen kann man nämlich alles, nur gleichsetzende wertende Schlussfolgerungen daraus verbieten sich fast immer.

Herr A. im heutigen Denkspiel mag zwar ein bisschen verschroben erscheinen, doch auf Verhältnisse und Vergleiche versteht er sich:

»Wenn ich hier nachmittags in die Straßenbahn steige«, sagt Herr A. zu seinem Sitznachbarn, »meine ich immer, es gäbe dreimal so viel Frauen wie Männer.« Der Angesprochene zählt rasch die Fahrgäste im Wagen und stellt fest: »Stimmt sogar haargenau.« An der nächsten Haltestelle steigen viermal so viel Frauen aus wie Männer ein. »Nun haben wir hier drin nur noch doppelt so viel Frauen wie Männer«, sagt Herr A., und er lauert, inzwischen schon von einer Art Verhältnisfieber gepackt, auf die folgende Haltestelle. Dort wartet nur eine Frau auf Zustieg, und im Wagen selbst macht niemand Anstalten auszusteigen - außer Herr A. und sein Sitznachbar. Den beeindruckt Herr A. draußen zum Abschied mit der Feststellung: »Nun ist im Wagen das alte Verhältnis von 1:3 wieder hergestellt.« Wie viele Männer und Frauen fuhren mit der Straßenbahn weiter?

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