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Auf der Käferjagd

Der aus Asien stammende Laubholzbockkäfer ist vor allem in Bayern verbreitet

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 6 Min.
Ein Insekt macht derzeit Behörden und Baumfreunden große Sorgen: Mit großem Aufwand und rigiden Mitteln wird der Laubholzbockkäfer bekämpft.

Neubiberg bei München, ein Anwesen im Eschbaumweg. Vorne wacht der Hund, im Garten hinter dem Einfamilienhaus sind Simon Behmenburg und Gabriel Röhricht unterwegs. Behmenburg ist zertifizierter Baumkontrolleur und macht sich gerade an einer Korkenzieherweide zu schaffen. »Baumumfang in Brusthöhe ist acht Zentimeter, Höhe ist vier Meter«, gibt er seinem Kollegen zu Protokoll, der die Daten sofort in einen Computer einträgt. Dann bekommt der Baum eine Nummer: 0991656. Was hier passiert, ist das sogenannte Monitoring rund um ein vom Laubholzbockkäfer befallenes Gebiet.

Er ist in vier Bundesländern unterwegs, aber in Bayern gefällt es ihm besonders gut. Seit 2001 bohrt sich der »Asiatische Laubholzbockkäfer« durch die europäischen Laubbäume. Er stammt aus dem nördlichen China und kam mit Holzverpackungen nach Deutschland. Wo er auftritt, muss eine Quarantänezone eingerichtet werden, wie zuletzt in Neubiberg bei München. »Der Käfer ist gefährlich, weil er lebende Bäume befällt, so dass diese absterben«, sagt Peter Nawroth, Leiter der Anti-Käfer-Arbeitsgruppe IPS4 an der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Der bayerische Landtag hat dieses Jahr 2,8 Millionen Euro an Sondermitteln für die Bekämpfung des Insekts bewilligt, das im Mai zu schlüpfen beginnt.

Neubiberg, der Kindergarten an der Höhenbrunnerstraße. Eine ruhige Wohnsiedlung mit viel Grün. Abteilungsleiter Nawroth ist mit seinem Kollegen Gerhard Kraus auf Besichtigungstour. Hier wurde der Laubholzbockkäfer zum ersten Mal gesichtet. Das schwarze Insekt kann bis zu vier Zentimeter lang werden, hat weiße Flecken auf dem Rücken und zwei enorm lange und kräftige Fühler. Allerdings ist der Käfer ein bisschen träge. »Die Kinder haben sogar mit ihm gespielt«, erzählt Pflanzenschützer Nawroth. Und zeigt auf den einen oder anderen Baumstumpf. Denn nach der Entdeckung des Schädlings wurde die Gegend zur Quarantänezone erklärt, die Anwohner wurden über die Maßnahmen aufgeklärt. Die Zone umfasst in einem Radius von zwei Kilometern eine Fläche von sieben Hektar und in dieser Zone wurden bisher an die 400 Gehölze entfernt und dabei 20 Bäume gefällt. Sie müssen innerhalb der Quarantänezone verbrannt werden.

Diese Maßnahmen stoßen nicht auf das Verständnis aller Anwohner. »Diese Taktik bringt nichts«, sagt etwa Wieland Keinert. Zusammen mit einigen Mitstreitern hat er die Bürgerinitiative »Gegen ALB-Traum Neubiberg« gegründet, sie wehren sich gegen radikale Fällungen. Mit Plakaten wie »Hopp, hopp, hopp - Kettensäge stopp!« protestierten die aufgebrachten Neubiberger im Februar gegen die Fällaktion und sammelten 2299 Unterschriften für eine Petition. Sie fordern mehr Aufklärung über die Untersuchungen zum Käferbefall und Alternativen zur Bekämpfung.

In Deutschland wurde der Laubholzbockkäfer bisher in Sachsen-Anhalt bei Magdeburg, in Nordrhein-Westfalen bei Bonn, in Baden-Württemberg und in Bayern festgestellt. Und im weiß-blauen Freistaat wurden bisher die meisten asiatischen Käfer gezählt. Betroffen sind mittlerweile vier Regionen bei Neukirchen am Inn (Landkreis Passau), in Ziemetshausen (Landkreis Günzburg), in Feldkirchen und hier in Neubiberg (Landkreis München). Weil der Asiatische Laubholzbockkäfer als einer der gefährlichsten Laubholzschädlinge weltweit gilt - er befällt gesunde Laubbäume und kann diese bei starkem Befall zum Absterben bringen - werden alle Bäume im Umkreis von 100 Metern um einen befallenen Baum herum gefällt. Und hier setzt die Kritik der Bürgerinitiative an. Sie fordert, dass gesunde Bäume nicht gefällt werden, die Durchführung einer umfangreichen Baumuntersuchung sowie mehr Grundlagenforschung. Das LfL setzt dem entgegen, Untersuchungen zum Käferbefall brächten nur eine 80-prozentige Sicherheit, eine wirksame Bekämpfung sei deshalb nur durch die Abholzung innerhalb einer 100-Meter-Zone möglich.

Der Laubholzbockkäfer wurde mit »Einweg«-Verpackungen aus Holz (etwa für Maschinen, Granit oder andere Steinware) aus Asien eingeschleppt. Für die Eiablage nagen die Weibchen des Käfers runde, bis zu einem Zentimeter große Gruben in die Rinde des Baumes. Jedes Weibchen legt 30 bis 70 Eier. Aus diesen Eiern schlüpfen nach zwei Wochen Larven, die sich später in das Innere des Baumes hineinbohren und den Baum durch die immer größer werdenden Gänge mit einem Durchmesser von eins bis drei Zentimeter schädigen. Der Saftstrom im Baum kann unterbrochen werden und bei starkem Befall stirbt der Baum ab. »Der Käfer kann fliegen, ist aber eher flugträge und kommt nicht sehr weit«, sagt Pflanzenschützer Nawroth. Die meisten bleiben an dem Baum, an dem sie geschlüpft sind oder an den Nachbarbäumen.

Rund um die Befallszone findet im Radius von 500 Metern ein intensives Monitoring statt, bei dem gefährdete Laubbäume kartiert werden. In Neubiberg betrifft es immerhin eine Fläche von 20 Hektar, auf der jeder Laubbaum und jeder Strauch auf Käfer-Befall untersucht wird. Was extrem aufwendig ist. Zwei bis drei Stunden dauert es, bis Baumpfleger Behmenburg alles Gehölz, das dicker ist als zwei Zentimeter, untersucht und kartiert hat. Und dabei geht es nur um ein Grundstück von vielen, die untersucht werden müssen. Da es sich um Privatgrund handelt, holt die Landesanstalt für Landwirtschaft die Erlaubnis der Grundbesitzer ein, um das Monitoring durchführen zu können. »Manchmal gibt es dabei auch Probleme«, sagt Peter Nawroth. Etwa wenn die Hausbesitzer verreist und nicht ausfindig zu machen sind. Oder den Zutritt verweigern. Dann muss die Polizei nachhelfen, denn für den Pflanzenschutz besteht ein sogenanntes »Betretungsrecht« - der Zugang ist zu gewähren und sicherzustellen. Die Namen der Kontrolleure sind in den betreffenden Polizeirevieren in der Quarantänezone hinterlegt.

Das Monitoring dient zur Erfassung des Baumbestandes, anhand dessen die Verbreitung des Käfers verfolgt werden kann. Zu diesem Monitoring gehört auch das Aufstellen von sogenannte Pheromonfallen. Landschaftsschützer Kraus holt eine davon aus dem Kofferraum seines Autos: Ein schwarzes Ding, an die 80 Zentimeter lang. Diese Lockstoff-Fallen ziehen durch spezielle Düfte die Insekten an.

Zum Aufstöbern der asiatischen Baumfresser wird auch »Franzi« zum Einsatz kommen. Franzi ist eine zehn Monate alte Deutsch-Drahthaar-Jagdhündin, die im österreichischen Ossiach zum sogenannten Anoplophoraspürhund ausgebildet wurde. So wie es Sprengstoff- oder Rauschgiftspürhunde gibt, können die Vierbeiner auch auf den Asiatischen Laubholzbockkäfer dressiert werden (»Anoplophora« ist die lateinische Bezeichnung des Käfers). Die Ausbildung der Hunde dauert dabei mehrere Wochen und geschieht in zwei Modulen. Danach sind sie in der Lage, sowohl Larven wie auch ausgewachsene Käfer zu riechen, auch unter der Rinde. Das wird Franzi nun künftig an der Seite von ihrem Herrchen, LfL-Mitarbeiter Thomas Schuster, tun. Und was gibt es bei Erfolg für eine Belohnung? Einen Käfer? »Nein«, sagt Hundehalter Schuster, »ein normales Leckerli«.

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