So fällst Du Jungs auf

Jugendzeitschrift gibt zweifelhafte Flirttipps für Mädchen

  • Jana Klein
  • Lesedauer: 4 Min.
Häme, Wut und Kritik hagelt es derzeit in den sozialen Netzwerken für die Jugendzeitschrift Bravo. Die Redaktion hat die Seite mit 100 Flirttipps für Mädchen inzwischen vom Netz genommen.

»Betone Deine Augen mit Wimperntusche. Das verleiht Deinem Blick mehr Strahlkraft und wirkt sexy auf Jungs«. Diesen und gleich 99 weitere Tipps hatte die Webseite des Teenager-Blatts Bravo bis Dienstag für »Girls« im Angebot. Der Ratgeber war Anfang letzter Woche dort eingestellt worden. Im Netz regt sich darüber nun Empörung: User auf Facebook teilten den Beitrag im Verlauf des Dienstags fleißig und stellten das misogyne Frauen- und Mädchenbild heraus, das den Tipps zugrunde liegt. »Löcher und Risse in Deiner Jeans verwandeln Dich in Jungsaugen nicht nur in ein besonders untussiges Exemplar von einem Girl. Da sie Deine Haut durchblitzen lassen, wirkst Du damit extrem sexy!«, heißt es in Tipp #71, dabei wurden die Mädchen noch 15 Tipps vorher gewarnt: »Style Dich bloß nicht zu sexy. Tiefe Ausschnitte und superkurze Röcke kommen in Jungsaugen eher schlampenhaft rüber.« Mädchen sollen also »extrem sexy«, aber »bloß nicht zu sexy« sein, sonst sind sie Schlampen. »Perfide« nennen das einige User: »also 99 anweisungen, direkt aus der hölle, und dann: sei du selbst. bemerkenswert finde ich auch diese krass typische gleichzeitigkeit von scheinbar grenzenloser aktivierung («sexy» sein, auf klamotten achten, schminke individuell und immer anders,haare,blubb) und beschränkung (aber nicht zu viel - «schlampenhaft» 56!!!) - mach alles, aber bloß nicht zuviel. und schon können sich alle Mädchen permanent fragen, ob sie nicht laut genug gelacht haben (22) oder nicht still genug waren, wie sich das gehört (39) - das ist echt krass perfide«.

Gegen 19 Uhr zog Bravo dann die Notbremse und nahm den Text offline. In einer im Netz herumgereichten Kopie einer früheren Version des Texts auf web.archive.org lässt sich aber noch nachlesen, was man in der Redaktion des immer mal wieder für die geleistete sexuelle Aufklärung gelobten Magazins für Mädchen parat hat, um sie für die Erfordernisse des heterosexuellen Beziehungsmarktes fit zu machen. Bei einer Schneeballschlacht sollen Mädchen frech grinsen: »Das zeigt, dass Du mit voller Absicht flirtest«. Ergo: Mädchen, die nicht flirten wollen, sollten bei einer Schneeballschlacht besser nicht grinsen. Doch die nächste Falle lauert schon: »Tu für eine Weile so, als wäre Dein Schwarm Luft. Mach das aber so, dass er es merkt. Deine Ablehnung wirkt wie ein Magnet auf ihn«, in einem anderen Tipp folgt auf das bewusste Ausweichen, der Junge würde »sofort wieder versuchen, Deinen Blick zu erhaschen, weil Du so sexy, unerreichbar und geheimnisvoll wirkst«. Also eigentlich egal, ob hin- oder weggucken: die Jungs können nicht anders, als sich wie die Bienen auf den Honigtopf zu stürzen. Damit dürfte auch die Frage nach der Schuld für ungewollte Annäherungen auf ewig geklärt sein.

Eine Nutzerin auf Facebook schreibt: »Ich denk ja immer, ich hab schon alles gesehen an misogynem Dreck. Aber das haut mich jetzt schon vom Hocker. Alter. Kann bitte mal jemand deren Redaktion in die Luft sprengen?«. Auf Twitter sammelt das hashtag #flirtennachbravo bereits die Häme im 140-Zeichen-Format. Nach 99 sich teilweise widersprechenden Imperativen für Mädchen, was sie alles anders machen sollen, um Jungs auf sich aufmerksam zu machen, hat die Bravo-Redaktion aber noch einen beruhigenden Hinweis für den Schluss aufbewahrt: »Sei Du selbst! Bei jedem Kontakt mit Jungs ist das die wichtigste Ausstrahlungsregel. Wenn Du Dich nicht verstellst, bist Du total umwerfend«.

Am Mittwoch folgte dann ein Statement der Bravo: Einige Tipps seien »absolut unglücklich«, insgesamt genüge der Beitrag nicht dem Qualitätsanspruch des Magazins: »Hierfür möchten wir uns ausdrücklich entschuldigen«. Die Kritik, der Beitrag transportiere ein »rückständiges Frauenbild«, wird zwar genannt – ob sie zutrifft oder nicht, dazu äußert sich das Blatt jedoch nicht.

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