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Zwischen Faszination und Risiko

Folge 68 der nd-Serie »Ostkurve«: Acht ehemalige DDR-Oberligisten bescheren der 3. Liga enorme Aufmerksamkeit - und Konfliktpotenzial

Ganz eilig hatte es der Deutsche Fußball-Bund (DFB) kurz vor dem Saisonstart der 3. Liga an diesem Wochenende. Nein, nicht alle Ostduelle seien von vornherein als Hochsicherheitsspiele eingestuft worden. Aber eben diese Nachricht hatte sich zuvor schnell verbreitet, nachdem der MDR sie Anfang dieser Woche veröffentlicht hatte. Das Dementi des Verbandes ist einerseits ein rein formelles. Denn die Entscheidung, ob eine Partie ein Hochsicherheitsspiel ist, wird in der Regel erst nach Absprache mit allen Beteiligten (Vereine, Fanbeauftragte, Verband und Polizei) in der direkten Vorbereitung getroffen. Andererseits ist das Dementi auch Imagepflege, die der DFB für die höchste Spielklasse unter seiner Verantwortung auch benötigt. Ganz generell zeigt diese Episode, dass die 3. Liga immer noch ein Spiel zwischen Faszination und Risiko ist - in vielerlei Hinsicht und in dieser Saison ganz besonders.

Nach dem Aufstieg des 1. FC Magdeburg und dem Abstieg von Erzgebirge Aue treffen sich gleich acht ehemalige DDR-Oberligisten in der 3. Liga - so viele wie noch nie. Das lässt den DFB jubeln. Zwei Traditionsvereine mehr und viele Derbys erhöhen die Aufmerksamkeit enorm. Magdeburg hatte in der Regionalligasaison einen Zuschauerschnitt von 8500 und wäre damit im Drittligaranking auf Platz sieben gelandet. Nun hat der FCM schon 5300 Dauerkarten verkauft - Ligakonkurrent Dynamo Dresden gar mehr als 12 000. Die Sachsen waren auch in der Vorsaison Zuschauermagnet: Mehr als 430 000 Fans kamen zu den Heimspielen, ein Schnitt von 22 700. Vom Potenzial des Fußballostens zeugt auch, dass hier die mit Abstand größten und modernsten Stadien der Liga stehen.

Für die Vermarktung der 3. Liga sind große, stimmungsvolle Stadien für den DFB ein Gewinn. Das Eröffnungsspiel zwischen dem 1. FC Magdeburg und Rot-Weiß Erfurt sahen am Freitagabend (n. Red.) mehr als 20 000 Zuschauer live im Stadion. Derzeit bringt der Verkauf der Fernsehrechte an die ARD 12,8 Millionen Euro. Zu wenig, meinen die meisten Vereine, seien die 800 000 Euro die pro Jahr bei ihnen ankommen. Zum Vergleich: Die Zweitligisten erhalten durchschnittlich sechs Millionen Euro. »Wir stehen neuen Formaten und Anbietern offen gegenüber. Außerdem beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe beim DFB sehr intensiv damit, über den Bereich der TV-Vermarktung hinaus, Erlöspotenziale für die 3. Liga zu identifizieren«, berichtet DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock über die Ambitionen des Verbandes.

Bislang hat sich in dieser Hinsicht nicht viel getan. Einen Ligasponsor sucht der DFB schon seit der Einführung der neuen Spielklasse im Jahr 2008 vergeblich. Für die künftige Akquise sind die Ostklubs ebenso wertvoll wie schon jetzt für die derzeitige Verbreitung der Liga. In der Saison 2013/14 erreichten die gesamten Drittligaübertragungen knapp 650 Millionen Zuschauer. Davon gingen 236 Millionen auf das Konto des MDR, 157 Millionen sahen die Zusammenfassungen in der ARD-Sportschau. Von insgesamt 307 Sendestunden wurden mehr als ein Drittel im MDR ausgestrahlt. Auch in dieser Saison bleibt der Mitteldeutsche Rundfunk bei vielen der 56 Ostduellen am Ball - mehr denn je: An jedem der 38 Spieltage will der Sender mindestens ein Spiel live übertragen - allein an den ersten drei Spieltagen sind es schon sieben.

Bei dieser engen und durchaus gewinnbringenden Verbindung des DFB mit dem MDR darf man davon ausgehen, dass der Fernsehsender recht gut informiert ist. Dass also die Nachricht von 56 angedachten Hochsicherheitsspielen nicht frei erfunden ist. Sollte es so kommen, wird es nur vier Spieltage ohne erhöhtes Polizeiaufkommen, Auflagen vom DFB und sehr viel höhere Kosten auch für die Klubs selbst geben. »Man darf die Vereine aus dem Osten nicht stigmatisieren und ihnen Ausschreitungen von vornherein schon anhängen«, kritisiert Erwin Bugar vom Fußballverband Sachsen-Anhalt nicht zu unrecht. Gerade bei den Fans kommt eine derartige Vorverurteilung bestimmt nicht gut an. Und das arg strapazierte Vertrauen zwischen Verband, Polizei und Fans wächst so auch nicht.

Viel lieber als vom Risiko spricht Helmut Sandrock aber über die Faszination: »Die 3. Liga ist ein Erfolgsmodell«, wiederholt der DFB-Generalsekretär bei jeder Gelegenheit. Für die Ostklubs gilt das vor allem ob der geringeren Wirtschaftskraft in ihren Regionen kaum. Der F.C. Hansa Rostock hätte bei ausbleibender Hilfe durch Stadt und Land oder wie jetzt durch einen Investor den steten Kampf ums wirtschaftliche Überleben schon mehrmals verloren. Trotz kostenintensiver Lizenzbedingungen und dem im Vergleich dazu relativ geringen Fernsehgeld, ist der DFB dafür natürlich nicht allein verantwortlich. Dass es auch anders geht, beweist Dynamo Dresden. In der vergangenen Drittligasaison erwirtschaftete die SGD einen Gewinn von rund drei Millionen Euro.

Sportlich enttäuschte Dynamo aber. Wie die meisten Ostklubs: So sehr sie das Bild dieser 3. Liga prägen, die wichtigen Siege feiern meist andere. In den vergangenen vier Jahren stieg einzig der Retortenklub RB Leipzig auf, mit Babelsberg und dem FC Carl Zeiss Jena aber zwei ab. Und in dieser Saison? »Wir wollen aufsteigen. Ende! Aus!«, sagt Dresdens neuer Trainer Uwe Neuhaus. Dynamo ruft als einziger Verein die 2. Bundesliga als Saisonziel aus, Erfurt sagte seiner lang geplanten »Mission 2016« ade. Magdeburg, Rostock, Energie Cottbus, der Chemnitzer und der Hallesche FC wollen so viele Punkte wie möglich sammeln. Und trotz aller Begeisterung, Derbys sind im Kampf um eine gute Platzierung nicht unbedingt von Vorteil: »Da geht es noch mal ganz anders zur Sache«, weiß Neuhaus.

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