Kerngeschäft statt Hilfe für Ratsuchende

Bremens Zentrum für Humangenetik schließt

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Menschen mit der Sorge, eine Erbkrankheit in sich zu tragen, gibt es in Bremen mit dem Zentrum für Humangenetik (ZHG) seit Jahrzehnten eine Anlaufstelle. Dort wird geforscht, gelehrt, Beratung angeboten und behandelt im Bereich der Tumorentstehung und Bekämpfung sowie genetisch bedingter Erkrankungen. Doch die Schließung des ZHG ist beschlossene Sache.

Besonders bei Kinderwunsch und in einer Schwangerschaft kann es Gründe geben, sich Gedanken über die Gesundheit des Nachwuchses zu machen und die Praxis für Humangenetik aufzusuchen. Dies etwa bei einer Häufung von Krebserkrankungen in der Familie, bei Fehlgeburten ohne erkennbare Ursache, bei Blutsverwandtschaft der Eltern oder wenn die künftige Mutter radioaktiver Bestrahlung ausgesetzt war.

Ein zweiter Schwerpunkt des ZHG, das an die Bremer Universität angegliedert ist, liegt in der Suche nach Gründen für die Entstehung von Tumoren. Die auf diesem Gebiet erzielten Erfolge brachten dem Zentrum internationale Reputation und Anerkennung. Und es wuchs an zu einer Institution mit 37 Arbeitsplätzen. Alles in allem ein echter Leuchtturm im kleinen Zwei-Städte-Staat an der Weser, dessen Uni fast 20 000 Studienplätze bietet und als viertgrößter Arbeitgeber Bremens gilt.

Also »eigentlich alles in Butter«, wie sich Uni-Rektor Bernd Scholz-Reiter noch vor zweieinhalb Jahren bei Amtsantritt dachte, denn die Hochschule hatte gerade einen Platz in der Exzellenzinitiative gewonnen - und damit eine satte finanzielle Förderung bis 2017. Mittlerweile herrscht aber dennoch Ebbe in der Universitätskasse - wie im gesamten Bundesland Bremen. Wie Scholz-Reiter nun vor der Presse sagte, sehen er und der Uni-Kanzler, Martin Mehrtens, keinen Silberstreif am Horizont. Zumal die rot-grüne Bremer Regierung schon vor der jüngsten Wahl im Mai 2015 einen Wissenschaftsplan beschlossen hatte, der deutliche Einsparungen bis 2020 vorsieht. Unter dem aktuellen rot-grünen Senat ist eine Änderung nicht absehbar, schließlich ist die alte Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) auch die neue Chefin des Ressorts.

In Zeiten knapper Finanzmittel müsse man sich auf das Kerngeschäft konzentrieren, sagen Scholz-Reiter und Mehrtens - beide im selben Wortlaut. Weil die Universität bereits in einer früheren Phase der finanziellen Knappheit den Entschluss gefasst habe, nur noch genetische Forschung an Pflanzen zu betreiben und sich keine Biologie-Professuren mehr für Humangenetik zu leisten, werde das ZHG geschlossen. Angebote für Rat- und Hilfesuchende in der Praxis für Humangenetik gehörten nicht zur Kernaufgabe der Universität, sondern seien Gesundheits-Dienstleistungen, die auch von freien, marktwirtschaftlich arbeitenden Laboren angeboten werden, erklärt Mehrtens auf Nachfrage des »nd«.

Der Universitätskanzler wirkt dabei ebenso wie der Rektor entschlossen, sich nicht vom allgemeinen Aufschrei in Bremen und den internationalen Unterstützungsadressen umstimmen zu lassen. Ebenso wenig von den Rechnungen des ZHG-Leiters Jörn Bullerdiek, wonach durch das Zentrum fast ebenso viele Drittmittel eingeworben werden, wie der Universität Kosten entstehen.

Da die nun angetretene rot-grüne Koalition die Ressorts neu zugeschnitten hat, fällt Quante-Brandt das Thema ZHG auf die Füße. Denn sie ist nun Senatorin auch für den Bereich Gesundheit.

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