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Flüchtlinge demonstrieren in Dresden gegen Zeltlager

Regionen wie Freital schon seit DDR-Zeiten »rechtsradikale Zone« / Unbekannte setzen Flüchtlingsunterkunft unter Wasser / Bundesamt korrigiert Zahl der Flüchtlinge nach oben

  • Lesedauer: 7 Min.

Update 19.13 Uhr: Flüchtlinge in Dresden demonstrieren gegen Zeltlager
Etwa 40 Flüchtlinge haben am Mittwochabend zeitweise mit einer Sitzblockade gegen die Lebensbedingungen in ihrem Zeltlager in Dresden protestiert. Dabei blockierten sie auch ein Fahrzeug des Technischen Hilfswerks, das in das Camp fahren wollte. Als der Dresdner Sportbürgermeister Winfried Lehmann (CDU) erschien und den Betroffenen ein Gespräch anbot, löste sich die Blockade bis auf einige wenige Männer auf. Am Mittwoch hatten sich die kritischen Stimmen zum Zeltlager in Dresden vermehrt. Die Bewohner beklagen vor allem schlechte hygienische Verhältnisse und möchten in feste Unterkünfte einziehen.

Update 17. 10 Uhr: Bundesamt widerspricht: Keine neue Flüchtlingsprognose
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat Berichten über eine angeblich nach oben korrigierte Prognose zu Flüchtlingszahlen widersprochen. Es gebe keine neue Jahresprognose, sagte am Mittwoch ein Sprecher in Nürnberg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine Zahl von 600.000 Asylsuchenden sei nicht zutreffend. Zuvor hatten der Berliner »Tagesspiegel« und die »Potsdamer Neuesten Nachrichten« unter Berufung auf interne Unterlagen des Bundesamtes berichtet, dass das Amt für dieses Jahr mittlerweile rund 600.000 neue Flüchtlinge in Deutschland erwarte. Die Behörde habe ihre Prognose erneut um rund 100.000 Menschen nach oben korrigiert.

Update 17.00 Uhr: DRK Dresden ruft zum Stopp von Sachspenden für Flüchtlinge auf
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Dresden ruft die Bevölkerung auf, vorerst keine weiteren Sachspenden für Flüchtlinge abzugeben. Die Organisation der Verteilung in der kürzlich errichteten Zeltstadt für Asylbewerber müsse erst neu geregelt werden, erklärte das DRK Dresden am Mittwoch. Geldspenden würden aber weiter benötigt, etwa zum Kauf von Windeln, Babynahrung und Unterwäsche.

Update 15.34 Uhr: Experte: Gewalt gegen Flüchtlinge entspringt völkischem Denken / Regionen wie Freital schon seit DDR-Zeiten »rechtsradikale Zone«
Den Leiter des Nazi-Aussteigerprogramms Exit-Deutschland, Bernd Wagner, überrascht die wachsende Militanz gegenüber Flüchtlingen nicht. Hinter den Übergriffen auf Asylunterkünfte wie in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg oder Bayern stecke ein in der Bevölkerung tief verwurzeltes völkischen Denken, sagte der Rechtsextremismus-Experte am Mittwoch in Berlin. Dieses sei nach wie vor Bestandteil der deutschen Kultur und besonders in den ostdeutschen Gebieten weit verbreitet.

Dazu gehöre, sich als weißer Europäer anderen gegenüber überlegen zu fühlen, sagte Wagner. Fremde würden nur in »dossierter Menge« ertragen und geduldet. »Die aus Thailand mitgebrachte Ehefrau in dem 1.000-Einwohner-Dorf ist okay, 20 Asylbewerber aber sind bedenklich«, so der studierte Kriminologe. Dieses ganze Denken sei nicht weit weg vom Rechtsextremismus.

»Aufgeziegelt« werde diese »völkische Textur« durch eine tiefe Unzufriedenheit mit dem Staat. »Viele fühlen sich in dem demokratischen System nicht beheimat«, so Wagner. Gebe es dann wie aktuell einen Migrationsdruck von außen, auf den die Politik spürbar inkompetent reagiert, fühlten sich die Menschen in ihrer Abneigung und den Vorurteilen bestätigt. »Die sehen sich derzeit in einer Art darwinistischen Kampf ums Dasein«, so der Rechtsextremismus-Experte.

Angesichts dieser Situation müssten sich Behörden wie Demokratie-Initiativen heute fragen, ob sie in den vergangenen 25 Jahren genug gegen dieses Denken getan hätten. Andererseits hätten Regionen wie das sächsische Freital, wo es Ende Juni zu massiven Protesten gegen eine Erstaufnahmeeinrichtung kam oder Teile Ostsachsens eine lange rechtsextreme Tradition. »Das waren schon zu DDR-Zeiten rechtsradikale Zonen«, so Wagner.

Update 11. 45 Uhr: Unterkunft für Flüchtlinge in Lunzenau (Sachsen) unter Wasser gesetzt
Wie der MDR auf dem Kurznachrichtendienst Twitter meldet, haben Unbekannte in Lunzenau (Sachsen) eine Unterkunft für Flüchtlinge unter Wasser gesetzt. Das Operative Abwehrzentrum (OAZ) ermittelt. Nach Angaben von MOPO24 handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus, das zu einer Unterkunft für Asylbewerber umgebaut werden sollte. Der Keller des Hauses wurde komplett unter Wasser gesetzt. So seien nach Angaben der Feuerwehr »in allen Etagen mehrere Wasserhähne geöffnet und der Wasserlauf unterbrochen« worden. Derzeit ist noch unklar, wie sich der oder die mutmaßlichen Täter Zutritt zum Haus verschafft haben. In dem Haus sollten rund 50 Flüchtlinge untergebracht werden.

Update 10.45 Uhr: Junge Flüchtlinge bekommen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt
Die Bundesregierung will jungen Flüchtlingen den Zugang zu berufsorientierten Praktika erleichtern. Das Kabinett stimmte am Mittwoch einer entsprechenden Neuregelung von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zu. Die Verordnung geht auf eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zurück und steht im Zusammenhang mit einer Reihe von Regeln, die Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen.

Update 10.10 Uhr: Bundesamt korrigiert Flüchtlingszahlen erneut nach oben / Sachlichkeit in Asyldebatte angemahnt
Das Bundesamt für Migration erwartet einem Zeitungsbericht zufolge in diesem Jahr mittlerweile rund 600.000 neue Flüchtlinge in Deutschland. Die Behörde habe ihre Prognose erneut um rund 100.000 Menschen nach oben korrigiert, schreiben die »Potsdamer Neuesten Nachrichten« (Mittwochausgabe) unter Berufung auf interne Unterlagen des Bundesamtes.

In Brandenburg würde sich damit die Zahl der 2015 erwarteten Asylbewerber um etwa 4.000 auf rund 18.000 erhöhen, hieß es weiter. 2014 kamen rund 6.300 neue Flüchtlinge nach Brandenburg, 2013 waren es rund 3.000. Derzeit kommen pro Woche etwas 500 neue Asylsuchende in Brandenburg an.

Sachlichkeit in Asyldebatte angemahnt

Das Deutsche Institut für Menschenrechte mahnt zur Sachlichkeit in der Asyldebatte. In den Diskussionen über die Flüchtlingspolitik in Deutschland seien zunehmend Äußerungen zu hören, die wie Anfang der 1990er Jahre Stigmatisierung, Rassismus und Gewalt befördern. Sie erinnern an die Anschläge auf Asylsuchende in Hoyerswerda, Hünxe, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen.

»Die demokratischen Parteien in Bund, Ländern und Kommunen sollten sich dringend darauf verständigen, sachlich über Schutz suchende Menschen zu sprechen. Zur Beachtung der menschen- und flüchtlingsrechtlichen Verpflichtungen gehört es auch, Flüchtlinge nicht pauschal zu verdächtigen und zu diskriminieren. Das ist notwendig, um sich von populistisch und rassistisch agierenden Parteien und Gruppierungen wie der NPD, AfD und Pegida abzugrenzen«, heißt es in einer Mitteilung des Instituts. »Debattenbeiträge, die Menschen vom Westbalkan mit dem Schlagwort 'Asylmissbrauch' in Zusammenhang bringen, missachten das individuelle Recht auf Asyl«, so das Institut weiter.

Städte lassen die Flüchtlinge zahlen

Während Unionspolitiker und Behördenvertreter immer wieder eine Reduzierung oder Abschaffung des Taschengeldes für Flüchtlinge aus bestimmten Regionen fordern, beschneiden Kommunen in Nordrhein-Westfalen offenbar ganz direkt das wenige Geld der Aslysuchenden. Wie die »Rheinische Post« berichtet, wird den Flüchtlingen vom Taschengeld ein Teil der Kosten für Versorgung und Unterbringung wieder abgezogen. Kritik an der Praxis kommt vom Flüchtlingsrat des Bundeslandes.

Wie das Blatt schreibt, verlangt etwa die Stadt Nettetal von einem erwachsenen Asylsuchenden 74,15 Euro für Bekleidung, Unterkunft und Energie. Das Taschengeld beträgt 140 Euro. Die Stadt Neuss behält 33,50 Euro von jedem erwachsenen Flüchtling für Strom ein, ähnlich wird in Mönchengladbach verfahren. In der Stadt Mettmann sollen Flüchtlingen für Strom und Unterkunft knapp 80 Euro pro Person abgezogen werden. Die Stadt hat das gegenüber der Zeitung bestritten. Auch die für die Verteilung der Flüchtlinge zuständige Bezirksregierung Arnsberg weiß angeblich von nichts. »Das höre ich zum ersten Mal«, wird ein Sprecher zitiert.

Beim Flüchtlingsrat NRW kennt man hingegen die Praxis. »Strom wird recht oft abgezogen. Auch werden häufig Gutscheine für Kleiderkammern ausgeteilt«, wird die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates, Birgit Naujoks, zitiert.

Derweil haben Kommunen und Unternehmenslobby weitere Erleichterungen für Flüchtlinge und Geduldete beim Zugang auf den Arbeitsmarkt gefordert »Wer als Asylbewerber jahrelang nicht anerkannt ist, aber ein faktisches Bleiberecht hat, sollte schnellstmöglich eine Arbeit aufnehmen dürfen«, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. »Es sollte grundsätzlich ein uneingeschränkter Arbeitsmarktzugang für Geduldete ohne Arbeitsverbot ab Erteilung der Duldung erlaubt werden«, forderte auch der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Ingo Kramer.

Bisher gilt für die über 113.000 Menschen ohne Asylverfahren, die oft schon seit vielen Jahren in Deutschland leben und geduldet werden, eine Mindestwartezeit von 15 Monaten ab der Duldungsentscheidung, bis sie arbeiten können.

Auch für die größere Gruppe der Asylbewerber verlangen Kommunen und Arbeitgeber weitere Verbesserungen. So solle die Vorrangprüfung der Arbeitsagenturen für Asylbewerber bereits nach sechs Monaten und nicht erst nach 15 Monaten entfallen, forderte Arbeitgeberpräsident Kramer. »Die Vorrangprüfung ist meist ein rein bürokratischer Akt, der nur Zeit und Geld kostet, ohne dass Arbeitslose davon profitieren«, sagte Kramer. Vorrangprüfung bedeutet, dass die Arbeitsagentur bescheinigen muss, dass eine angebotene Stelle nicht durch einen Inländer besetzt werden konnte. Auch die generelle Drei-Monats-Wartefrist für Asylbewerber nach Beginn ihres Verfahrens müsse ersatzlos gestrichen werden, forderte Landsberg: »Wer als Asylbewerber anerkannt ist, muss hier sofort arbeiten können, nicht erst nach drei Monaten«, sagte der Gemeindebunds-Chef. Agenturen/nd

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