Garantien für alles – außer Schnee

Peking trägt als erste Stadt der Welt nach olympischen Sommerspielen nun auch die Spiele im Winter 2022 aus

  • Andreas Schirmer, Kuala Lumpur
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Favorit Peking hat beim Kongress des Internationalen Olymischen Komitees in Kuala Lumpur die Wahl um die Winterspiele 2022 gewonnen. Verlierer Almaty ist nach 2014 zum zweiten Mal gescheitert.

Peking ist die erste Stadt der Welt, in der nach olympischen Sommer- auch Winterspiele ausgetragen werden. Auf der 128. Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) am Freitag in Kuala Lumpur setzte sich Chinas Metropole bei der Wahl für 2022 denkbar knapp mit 44:40 bei einer Enthaltung gegen Almaty durch. Damit wird Asien nach 2018 in Pyeongchang und 2020 in Tokio dreimal hintereinander Schauplatz Olympischer Spiele sein.

»Man hat erfahren, dass man mit Präsentationen vermutlich verlieren, aber nicht gewinnen kann«, kommentierte Michael Vesper, Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), den nicht unumstrittenen Zuschlag für Peking. Nach dem Scheitern der Münchner Bewerbung für 2022 am Bürgerwiderstand wirbt die DOSB-Führung in Malaysia nun um die Sommerspiele-Kandidatur von Hamburg für 2024.

»Fantastisch« – »Gefährlich« – »Propaganda«

Xi Ping, chinesischer Präsident

»Lassen sie mich ihnen versichern, dass die chinesische Bevölkerung fantastische, außergewöhnliche und exzellente Olympische Winterspiele präsentieren wird.«

IOC-Präsident Thomas Bach 

»In den zwei Jahren der Bewerbungsphase hat Peking einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen.« 

DOSB-Präsident Alfons Hörmann 

»Das IOC hat Menschenrechte, Pressefreiheit und Arbeitsrechte angesprochen und sich schriftlich Zusagen zur Einhaltung geben lassen.«

Wolfgang Büttner, Human Rights Watch

»Die Vergabe birgt klar die Gefahr, dass es wie 2008 zu Menschenrechtsverletzungen kommt.«

Zhang Hong, Eisschnelllauf- Olympiasiegerin von Sotschi 2014

»Ich bin unheimlich aufgeregt. Das ist Chinas Stolz.« 

Historiker Xu Guoqi

»Die Propaganda-Maschine ist angeworfen worden, aber wohl niemand hat bei den normalen chinesischen Menschen nachgefragt, was sie davon denken.« 

Die Niederlage des Außenseiters aus Kasachstan, der sich schon vergeblich um die Spiele 2014 beworben hatte, ist auch ein Dämpfer für die Reformbestrebungen des IOC und seiner Agenda 2020.
Den 85 IOC-Mitgliedern fehlte bei ihrer Wahl der Mut, einem kleinen Land die großen Spiele zu geben. Stattdessen gingen sie mit dem Votum für die Hauptstadt des »Reichs der Mitte« auf Nummer sicher. Peking hatte 2008 die Sommer-Edition mit großem Aufwand perfekt organisiert. Außerdem stehe China für politische und wirtschaftliche Stabilität. »Wir geben alle Garantien, die erforderlich sind«, versicherte Vizeministerpräsidentin Liu Yandong. Kritik an der Vergabe kam schnell auf: Die Entscheidung sei ein »Albtraum für die Menschenrechte«, erklärte NOlympia-Sprecher Florian Kasiske.
Almaty halfen der starke Bewerbungsendspurt, ein überzeugendes, athletenfreundliches Konzept und eine fulminante finale Präsentation in Malaysias Hauptstadt nicht, um die benachbarte Sportgroßmacht noch auszustechen. »Wir sind eine goldene Gelegenheit zu zeigen, dass kleine Länder erfolgreiche Winterspiele organisieren können«, hatte Kasachstans Ministerpräsident Karim Massimow vergeblich appelliert. Die am Fuße des Thien-Than angesiedelte kasachische Millionenstadt hatte mit Low-Budget-Spielen und kurzen Wegen geworben. Bis 2017 sollten 80 Prozent aller Sportstätten unabhängig von Winter-Olympia fertig sein, alle Wettkampfstätten wären im Radius von nur 30 Kilometern vom Olympischen Dorf entfernt gewesen.

Außerdem konnte Almaty etwas in die Waagschale werfen, woran es dem Rivalen mangelt: Schnee! Das Winterspiele-Konzept von Peking ist dagegen nicht nur auf viel Kunstschnee aufgebaut, sondern steht auch sonst im erheblichen Kontrast zu Almaty. Die alpinen Ski-Wettbewerbe, Bob, Rodeln und Skeleton sollen in dem zwischen Peking und Zhangjiakou gelegenen Yanqing stattfinden. Die Hälfte der rund 100 Olympiasiege wird in den Bergen im rund 190 Kilometer entfernten Zhangjiakou vergeben. Ein Hochgeschwindigkeitszug soll die Fahrtzeit dorthin auf 70 Minuten verkürzen; die nach Yanqing auf rund 20 Minuten. Die neue Bahnverbindung wird ebenso Milliarden Euro kosten wie der Ausbau des Skigebiets von Yanqing. Sotschis verschwenderische Spiele von 2014 lassen grüßen. Dafür werden in Peking für die Hälfte der Eissportarten Bauten von den Sommerspielen 2008 genutzt. Aus dem Water-Cube, einst die olympische Schwimmarena, soll der Ice-Cube für Eishockey werden. Außerdem werden im berühmten »Vogelnest«-Stadion die Eröffnungs- und Schlussfeiern zelebriert werden. dpa/nd

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