Tierhalter sehen sich kriminalisiert

Konflikte mit der Kieler Staatsanwaltschaft

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Vergangene Woche begannen in Schleswig-Holstein vier Verfahren wegen diverser Verstöße gegen den Tierschutz. Drei Prozesse finden vor dem Amtsgericht Bad Segeberg statt, einer vor dem Amtsgericht Eckernförde. Brisant sind die Fälle, weil die als zuständige Anklagebehörde tätige Staatsanwaltschaft in Kiel seit mehr als drei Jahren in der Kritik steht. Gegen eine Anklägerin laufen seitens der Staatsanwaltschaft Itzehoe in mindestens zehn Fällen Ermittlungen wegen Rechtsbeugung.

Wird seitens der Kieler Behörde zu übereifrig agiert oder andernorts womöglich nur zu lax? Auffällig oft und schnell wurden unter Federführung einer Anklägerin neben den staatsanwaltlichen Ermittlungen mutmaßlich misshandelte und gequälte Tiere beschlagnahmt. Sie wurden dann zum Teil veräußert. Dieses Vorgehen hat bei Tierhaltern für Empörung gesorgt. Sie wurden meist vor vollendete Tatsachen gestellt und nicht, wie rechtmäßig vorgeschrieben, vorab informiert. Beschlagnahmt wurden Pferde, Rinder, Schweine, Legehennen, Katzen, Hunde oder auch Zirkustiere. Als Reaktion auf das vermeintliche behördliche Fehlverhalten haben sich betroffene Tierbesitzer 2014 zum »Arbeitskreis gerechter Tierschutz« (AgT) zusammengeschlossen und mehrfach öffentlich demonstriert. Der Protest landete über eine Anfrage der Piraten-Abgeordneten Angelika Beer im Landtag und wurde in den Ausschüssen thematisiert. Das Image der Staatsanwaltschaft Kiel ist seitdem angeschlagen. Sogar pauschale Vorhaltungen sind zu hören. Bei einem der Segeberger Tierschutzprozesse sagten Verteidiger einer Pferdebesitzerin, ihre Mandantin sei »Opfer einer Staatsanwaltschaft, die Tierhalter kriminalisiert«.

Statt über Auflagen nachzudenken sowie Amtstierärzte nach Feststellung bedenklicher Zustände auf Weiden und in Ställen für eine Verbesserung der Situation einzubinden, wurde durch eine Kieler Staatsanwältin in der Regel eine sofortige Beschlagnahmung angeordnet. Für die Betroffenen werden hier zur Verfügung stehende Maßnahmen unverhältnismäßig angewandt. Eine Abfrage des Agrarministeriums bei den Veterinärämtern im Land brachte große Unterschiede zutage, wie massiv in den Kreisen zuletzt Tierschutzverstöße verfolgt wurden und in wie vielen Fällen es zu Beschlagnahmungen gekommen ist. Die AgT fragt sich, ob die Rechtsprechung nicht überall gleich zur Anwendung kommen sollte. Seit 2012 hat es nach Angaben der Initiative 120 Beschlagnahmefälle gegeben; mal wurden unter den Stichworten »unmittelbare Gefahr für das Tierwohl« einzelne Tiere »konfisziert«, mal ganze Herden. Bezogen auf Notveräußerungen schreibt die Strafprozessordnung vor, dass der Betroffene vor einer entsprechenden Anordnung gehört werden muss und er in Form einer Beschwerde einen richterlichen Beschluss dazu herbeiführen kann.

Eine Beschlagnahmeaktion hat meist ein sofortiges Tierhalteverbot zur Folge, auch wenn es zu dem Fall noch kein rechtskräftiges Urteil gibt. »Das hat bereits landwirtschaftliche Existenzen in den Ruin getrieben«, beklagt sich die Interessengemeinschaft geschädigter Tierhalter, die sich von der AgT abgespalten hat. Aktuell sind zwei Prozesse gegen Landwirte nach Umbesetzungen der Verteidigerseite geplatzt und werden neu terminiert. Eine Pferdehalterin wurde mit einer Ordnungswidrigkeit von 300 Euro belangt und ein Vorsitzender eines Reitvereins blickt einem zweiten Prozesstag am 13. August entgegen.

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