Eisenbahner streiken gegen Privatisierung

Kassenärzte behandeln nur noch gegen Bargeld / Athener Börse öffnet wieder – mit Kurzsturz / Gläubiger fordern Entlassungen im Öffentlichen Dienst / Athen peilt erste Kredit-Tranche von bis zu 25 Milliarden Euro an

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 10.30 Uhr: Eisenbahner streiken gegen Privatisierungsforderung
Die Gespräche zwischen den Gläubigern und der Regierung in Athen über die Auflagen für ein neues Kreditprogramm werden am Montag fortgesetzt. Im Mittelpunkt stehen Steuerthemen. Am Dienstag sollen dann die Privatisierungen unter die Lupe genommen werden. Aus Protest gegen die Forderungen der Gläubiger, milliardenschwere Anteile am öffenltichen Eigentum zur Schuldentilgung zu verkaufen, haben die griechischen Eisenbahner am Montag für mehrere Stunden die Arbeit niedergelegt. Zahlreiche Fahrten vor allem zwischen Athen und Nordgriechenland fallen aus. Das teilte die griechische Eisenbahn (TRAINOSE) mit. Zudem sollen zwischen 13 Uhr und 15 Uhr Ortszeit alle Fahrten der Stadtbahn ausfallen, die Athen mit seinem Flughafen verbinden. Die griechischen Eisenbahn steht ganz oben auf der Liste der öffentlichen Unternehmen, die verkauft werden sollen.

Update 10.20 Uhr: Kassenärzte behandeln nur noch gegen Bargeld
Aus Protest gegen große Schulden des griechischen Trägers für Gesundheitsleistungen (EOPYY) sind die griechischen Kassenärzte seit Montag in einen Teil-Ausstand getreten. Sie behandeln zwar in ihren Praxen die Patienten, diese müssen aber direkt beim Arzt zahlen. »Seit Februar sind wir nicht mehr bezahlt worden. Das sind acht Millionen Euro pro Monat«, sagte der Präsident des Verbandes der Kassenärzte, Giorgos Eleftheriou, dem griechischen Nachrichtenportal protothema.gr am Montag. Der Ausstand soll bis kommenden Freitag dauern. Der Verband vertritt rund 8.000 Kassenärzte.

Update 10 Uhr: Börse öffnet wieder – mit Kurzsturz
Nach einer fünfwöchigen Zwangspause wegen der Schuldenkrise hat die griechische Börse wieder geöffnet – mit einem dramatischen Kurssturz. Die Börse gab zu Handelsbeginn am Montagmorgen um 22 Prozent nach. Der Präsident des Kapitalmarkt-Kommitees, Kostas Botopoulos, sagte dem griechischen Fernsehensender Skai, er rechne am ersten Verhandlungstag mit erheblichen Verlusten. »Die Börse (...) wird Druck bekommen. Das gilt auch für die Banken angesichts der Tatsache, dass sie rekapitalisiert werden sollen«, sagte Botopoulos. Grund: Sparer innerhalb der vergangenen sechs Monate Milliarden von Euro von ihren Konten abgehoben haben. Nach Angaben des griechischen Bankenverbands wurde seit Dezember Kapital in Höhe von 40 Milliarden Euro abgezogen.

Die Börse war am 26. Juni parallel zu den griechischen Banken geschlossen worden; die Kreditinstitute haben bereits seit dem 20. Juli wieder geöffnet. Es gelten an der Börse weiter Einschränkungen: Anleger, die ihr Geld bei griechischen Banken haben, werden bis aus Weiteres nur dann Aktien kaufen oder verkaufen können, wenn sie dafür Geldmittel aus dem Ausland bringen oder Bargeld anlegen, erklärte Botopoulos.

Gläubiger fordern Entlassungen im Öffentlichen Dienst

Berlin. Die Gläubiger Griechenlands haben der SYRIZA-geführten Regierung einen Katalog mit harten Forderungen präsentiert, die im Gegenzug für ein neues Kreditprogramm von Athen umgesetzt werden sollen. Danach soll Athen auch Neueinstellungen im öffentlichen Dienst zurücknehmen, die die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras beschlossen hatte. Das berichtet die Zeitung »To Vima«.

Es dürfte umstritten sein, ob diese Auflage bereits in der Vereinbarung des Brüsseler Euro-Gipfels vom 13. Juli verankert ist - die Regierung in Athen hatte erklärt, man werde keine über diesen Deal hinausgehenden Forderungen akzeptieren. In dem Abschlussdokument heißt es mit Blick auf den öffentlichen Dienst unter anderem, »die griechische Regierung verpflichtet sich, die Kosten der griechischen Verwaltung gemäß einem mit den Institutionen vereinbarten Zeitplan weiter zu senken«.

Außerdem ist in Medienberichten von der Forderung der Gläubiger die Rede, eine höhere Besteuerung von Reedereien einzuführen und die Steuerbegünstigungen für Bauern abzuschaffen sowie die vorzeitigen Pensionierungen zu begrenzen. Die beiden letzten Punkte hatten innerhalb der Linkspartei SYRIZA bereits zu heftigen Debatten geführt.

Die Regierung in Athen will nach Informationen der Zeitung »Kathimerini« erreichen, bereits in einer ersten Tranche rund 20 bis 25 Milliarden Euro aus dem neuen Kreditprogramm ausgezahlt zu bekommen. Der Grund: Athen muss im August neben einem EZB-Kredit auch den im Juli erhaltenen Überbrückungskredit von 7,2 Milliarden Euro zurückzahlen, auch stehen weitere Zahlungen an. Zudem wolle Athen zehn Milliarden Euro in die Rekapitalisierung der Banken stecken.

In den Verhandlungen mit den inzwischen vier Institutionen - Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbankd, EU-Kommission und Europäischer Stabilitätsmechanismus ESM - geht es um ein Gesamtvolumen von bis zu 86 Milliarden Euro für drei Jahre.

Derweil heißt es schon wieder: Aufgrund der großen Differenzen wird die Zeit für eine Einigung knapp. Auch die Bundesregierung sieht den Zeitplan angeblich in Gefahr. Der Terminplanung der EU-Kommission sei zu eng gestrickt, verlautete nach Informationen des »Focus« aus Regierungskreisen. Auch in den vorangegangenen Verhandlungsrunden über das zweite Kreditprogramm hatte es immer wieder geheißen, die Zeit werde knapp. Damit soll offenbar auch Druck in die gespräche gebracht werden.

Die Verhandlungen sollten bereist am 10. August abgeschlossen sein, meldete »Focus«. Nach einer Zustimmung der Euro-Finanzminister am 11. August solle die Vereinbarung von anderen Euro-Staaten ratifiziert und vom Parlament in Athen gebilligt werden. Auch der Bundestag müsste zustimmen. Die für Mitte August erwogene Sondersitzung des Bundestages müsse aber möglicherweise verschoben werden.

Griechenland muss bis zum 20. August einen Kredit von 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. In Athener Medien wird deshalb bereits über einen neuen Überbrückungskredit spekuliert. Der griechische Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis betonte: »Eine Einigung wird schwierig sein. Sie wird aber wirtschaftlich tragbar sein, weil sie die Gefahr eines Grexits weiter verringert.«

Nach Ansicht des früheren Finanzministers Yanis Varoufakis ist das geplante Hilfsprogramm »zum Scheitern verurteilt«. »Das Vorhaben hat keine Zukunft«, sagte der Ex-Minister der spanischen Zeitung »El País«. »Die Krise wird mit immer neuen untragbaren Krediten verlängert, und man tut so, als werde dadurch das Problem gelöst.« In den Verhandlungen werde es weitere Verzögerungen geben. »Die Zielsetzungen werden nicht eingehalten, die Rezession wird anhalten, und es wird politische Probleme geben«, prophezeit Varoufakis.

Athen peilt auch eine Umstrukturierung eines Teils seiner Staatsschulden an. Im Rahmen des Kreditprogramms solle ein langfristiges Darlehen mit etwa 30 Jahren Laufzeit ermöglicht werden, mit dem Kredite der EZB und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgezahlt werden könnten. »Es handelt sich um eine Mini-Umschuldung. Sie könnte den Auftakt bilden zu einer bedeutenden Umstrukturierung der griechischen Schulden, wie die vom IWF schon seit langer Zeit verlangt wird«, sagte Stathakis der Zeitung »Efimerida ton Syntakton«.

Griechische Wirtschaftsverbände warnten davor, dass im September auf breiter Front Güter knapp werden könnten. Sie verwiesen darauf, dass das Land bei den Rohstoffen größtenteils auf Importe angewiesen sei. Aufgrund der Kapitalverkehrskontrollen seien die Einfuhren jedoch auf einen Bruchteil des normalen Umfangs geschrumpft. Agenturen/nd

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