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Der Sinkflug der Freien Wähler

In Bayern galt die Partei des Hubert Aiwanger als Bedrohung für die CSU - das ist vorbei

  • Carsten Hoefer, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit der Landtagswahl 2013 geht es für Bayerns Freie Wähler in den Umfragen langsam, aber stetig bergab. Inzwischen kommt die Partei der Fünf-Prozent-Hürde gefährlich nahe.

Die Freien Wähler in Bayern haben derzeit mit unwillkommenen Schlagzeilen zu kämpfen: Landtagsfraktionsvize Bernhard Pohl ist ein Verkehrs-Serientäter, derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft München I wegen einer Alkoholfahrt. Doch die Probleme der Partei gehen über den Fall Pohl weit hinaus. Seit der Landtagswahl 2013 geht es in den Umfragen langsam, aber nahezu kontinuierlich bergab. Inzwischen kommen der Bundes- und Landesvorsitzende Hubert Aiwanger und seine Partei der Fünf-Prozent-Hürde gefährlich nahe.

In der Ende Juli veröffentlichten Umfrage lagen die Freien Wähler bei sechs Prozent. »Wir haben Zwischenwahlzeit«, sagt Aiwanger. Und: »Wir sind eine typische Wahlkampf-Partei.« Zwischen den Wahlen seien die Freien Wähler »in den Köpfen nicht so präsent«. Die politische Großwetterlage ist schwierig. »Zur Zeit haben wir viele bundespolitische Themen von Asyl bis Euro«, sagt Aiwanger. »Da ist die CSU dabei, unsere Themen sind nicht so auf dem Schirm.« Die landespolitischen Themen der Freien Wähler sind etwa die Bildungspolitik, die Energiewende, die Entwicklung des ländlichen Raums.

Aiwanger versucht seit Jahren, sich bundes- und europapolitisch zu profilieren - von einer Kampagne gegen die Euro-Rettung bis zur Forderung nach dem Euro-Austritt Griechenlands und dem Protest gegen das geplante TTIP-Freihandelsabkommen der EU mit den USA. Doch der erhoffte Zulauf ist ausgeblieben.

Seit dem Scheitern eines Dreierbündnisses von SPD, Freien Wählern und Grünen bei der Landtagswahl 2013 haben sich Aiwanger und seine Fraktion auf mehreren Feldern der CSU angenähert, zuletzt in der Asylpolitik oder bei der von der CSU geplanten Verschärfung des Versammlungsrechts. So kämpfen die Freien Wähler auf dem selben Terrain wie die CSU, doch die große Mehrheit der Wähler ist laut Umfragen zufrieden mit der Staatsregierung.

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer verweist auf die Anfang des Jahres vom Bayerischen Fernsehen veröffentlichte Untersuchung von infratest dimap: »In Umfragen sind die Kompetenzwerte der Freien Wähler weit unter ihren Umfragewerten«, sagt Kreuzer. »In den meisten Politikfeldern liegt ihre Kompetenzzumessung zwischen ein und drei Prozent.« Die Freien Wähler hätten kein Programm und leisteten keine konzeptionelle Arbeit. »Sie springen immer nur auf Tagesthemen auf, die leben vom Protest«, meint der CSU-Politiker. »Sie hätten in den vergangenen sieben Jahren Zeit gehabt, ein Profil aufzubauen, aber das haben sie versäumt.«

Für die CSU sind die Freien Wähler ein lästiger Konkurrent. SPD und Grüne dagegen wünschen sich eine starke dritte Kraft, um der CSU Paroli bieten zu können. Aber die Analyse bei SPD und Grünen fällt ganz ähnlich aus. »Wir bräuchten eine starke, geeinte Opposition gegen die Arroganz der Macht bei der CSU«, sagt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Doch derzeit liefen die Freien Wähler der CSU hinterher. »Die Freien Wähler sind immer weniger unterscheidbar von der CSU und werden auf Dauer überflüssig, wenn sie diesen Kurs so fortsetzen«, warnt Rinderspacher seinen Amtskollegen Aiwanger. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann seufzt: »Wenn man eine Mehrheit jenseits der CSU erreichen möchte, wünscht man sich natürlich eine starke Kraft, die der CSU Stimmen wegnehmen könnte.«

Hartmann sieht ein Grundsatzproblem: »Kommunalpolitisch sind die Freien Wähler ein Ableger der CSU. Auf landespolitischer Ebene funktioniert das nicht.« Im Landtag hätten die Freien Wähler ihre Rolle nicht gefunden, sagt Hartmann. »Die Freien Wähler sind eigentlich eine inhaltsleere Partei.«

Das sieht FW-Chef Aiwanger naturgemäß anders. Aber dass CSU und Freie Wähler in vielen Bereichen um die selben Wähler konkurrieren, ist ihm bewusst: »Wir sind liberal-wertkonservativ. Im wertkonservativen Bereich tritt die CSU momentan sehr markant auf.« dpa/nd

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