Notwendige Nach-Range-Rangelei fällt aus

Die Unabhängigkeit von Staatsanwaltschaften ist eine Fiktion - die womöglich aber wahr werden sollte

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch nach Ranges Rausschmiss tönt es: Die »Landesverratsgeschichte« muss ein Nachspiel haben! Doch wer dabei nur an personelle Veränderungen denkt, bewirkt zu wenig.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat den Generalbundesanwalt Harald Range in die Wüste geschickt. Maas ist nun verantwortlich für regierungsoffizielle Schadensbegrenzung. Er benannte einen neuen Range, der wird demnächst das Ermittlungsverfahren gegen die Journalisten von »netzpolitik.org« einstellen. Der Verursacher der Journalistenhatz, Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, lenkt uns mit der Präsentation neuer islamistischer Terrorgefahren ab. Sein Minister Thomas de Maizière (CDU) kommt womöglich als Abtaucher des Jahres ins Guinness Buch.

Und die Opposition? Die Grünen bringen eine Kleine Anfrage in Stellung. Für eine Sondersitzung des Rechtsausschusses und die Auskunft, wer wann mit wem telefonierte, würden sie vielleicht sogar ihren Sommerurlaub unterbrechen. LINKEN-Chef Bernd Riexinger hat zwar nicht die Forderung nach Abschaffung des Landesverrat-Paragrafen für Journalisten erhoben, doch hörte man von ihm - wie schon öfter - den Begriff »Untersuchungsausschuss«.

In dieser »Sommerlochhektik« gehen zumindest zwei wichtige Fakten unter: Erstens ist die geplante Disziplinierung von kritischer Öffentlichkeit keine Maaßen-Range-Idee. Das Kanzleramt von Angela Merkel hat in den vergangenen Monaten bereits mehrfach Abgeordnete wie Journalisten bedroht und ihnen verbriefte Rechte verwehrt. Man will sie von der weiteren Aufklärung des bislang größten Geheimdienstskandals abbringen. Der ist mit den Kürzeln NSA und BND verbunden.

Zweitens wäre über das Thema »Unabhängigkeit der Justiz« zu debattieren. Die es so - wie oft behauptet - nicht gibt. Womöglich aber geben sollte. In unserer Verfassung ist ausdrücklich nur die Unabhängigkeit der Richter vermerkt. Staatsanwaltschaften sind davon nicht betroffen. Die Generalstaatsanwälte der Länder und der Generalbundesanwalt sind - in der Masse - politische Beamte. Sie unterstehen eben nicht nur dem Gesetz, sondern auch den jeweiligen Ministerien. Und damit wechselnden politischen Interessen.

Dass es in diesem Unterstellungsverhältnis keiner Weisungen von oben bedarf, um politisch richtig zu agieren, hat Range mit seiner Verweigerung, gegen die NSA zu ermitteln, mehrfach deutlich bewiesen. Und wenn man an das Agieren verschiedener Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) denkt, kommt man gar nicht auf den Gedanken, die Ermittler seien unabhängige Beamte.

Ein eklatantes Beispiel für die Verquickung der angeblich objektiven Institution Staatsanwaltschaft mit der Politik bot die Affäre um den ehemaligen SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy. Man kann auch an höchst dubiose Vorgänge bei den Zumwinkel-Ermittlungen, im Falle Gustl Mollath oder in Sachen Bundespräsident Christian Wulff erinnern.

Es gibt in allen Ländern wie im Bund bewährte Ketten der Berichtspflicht von der jeweilig zuständigen Staatsanwaltschaft in die übergeordneten Ministerien, also zur jeweils herrschenden Politik. Verantwortliche Politiker müssten schließlich informiert sein, um handeln zu können, heißt es. Was Eingriffe in die weiteren Untersuchungen ebenso einschließt wie das Breittreten selbst geheimster Resultate staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Alles im Vertrauen. Oder wer sprach im Fall Edathy von Landesverrat?

Nur wenn das Weisungsrecht der Minister gegenüber den Staatsanwälten abgeschafft wird, kann man auch diese politisch jederzeit zu missbrauchende Informationspflicht kappen. Doch welcher amtsbefugte Politiker würde sich darauf einlassen?

Es müssen dringend andere demokratische Kontrollmöglichkeiten für die Arbeit von Staatsanwaltschaften gefunden werden. Das weiß auch Justizminister Maas. Schon weil der Deutsche Richterbund ihn lange vor der aktuellen Landesverrat-Affäre aufgefordert hat, endlich eine Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Weg zu bringen. Dessen Grundzüge stammen aus dem Jahr 1879.

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