Schlechte Luft auf Frankreichs Straßen

Schadstoffbelastung kostet jährlich mehr als 100 Milliarden Euro

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Schadstoffe in der Luft schaden Menschen, Tieren und der Ernte. Der französische Senat fordert die Regierung auf, der steigenden Verschmutzung durch höhere Dieselpreise entgegenzuwirken.

Die Luftbelastung durch Schadstoffe kostet Frankreich jedes Jahr 101,3 Milliarden Euro, das geht aus einem kürzlich veröffentlichten Bericht eines Untersuchungsausschusses des Senats hervor. Pro Kopf sind das rund 1300 Euro. Von dem Gremium wurden drei Minister und zahlreiche Fachleute gehört sowie jüngste wissenschaftliche Untersuchungen ausgewertet. Dabei wurden nicht nur die gesundheitlichen Schäden und die entsprechenden Mehrbelastungen des Gesundheits- und Sozialwesens berücksichtigt, sondern auch die Folgen für Wirtschaftszweige wie das Bauwesen oder die Landwirtschaft.

So wurde nachgewiesen, dass Ozon und Feinstaub, zwei der gefährlichsten Umweltschadstoffe, schuld am vorzeitigen Tod von jährlich bis zu 45 000 Menschen sind, die unter chronischer Bronchitis, Asthma und Lungenkrebs litten oder die ein Hirnschlag oder Herzinfarkt ereilte. Die Kosten, die Frankreich dadurch entstehen, belaufen sich nach den Statistiken der Weltgesundheitsorganisation WHO auf jährlich 48 Milliarden Euro. Die Senatoren bemängeln, dass dabei Folgekosten für Krankenhausaufenthalte, Krankentagegelder, Invalidenrenten, Fehltage und Produktivitätseinbußen nur unzureichend untersucht und beziffert werden. Allein 650 000 Tage würden Franzosen pro Jahr krankgeschrieben, weil sie an den Folgen schlechter Luft leiden. Nach den Hochrechnungen der Senatoren summieren sich direkte und indirekte Gesundheitskosten auf jährlich 97 Milliarden Euro.

Hinzu kommen fast fünf Milliarden in anderen Bereichen. So hat das landwirtschaftliche Forschungsinstitut INRA ermittelt, dass in der Pariser Region, die besonders stark und häufig durch Ozon und andere Luftbelastungen betroffen ist, die Getreideernten um durchschnittlich zehn Prozent schlechter ausfallen als in anderen Regionen. Landesweit gehen den Bauern so allein bei Getreide Einnahmen von 500 bis 850 Millionen Euro verloren. Weil die Fassaden von Bauwerken durch Ruß und Staub sowie durch Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Salpetersäure in der Luft in Mitleidenschaft gezogen werden, sind jährlich Restaurierungsarbeiten von bis zu 3,4 Milliarden Euro nötig.

Hauptverantwortlich für die Luftbelastungen sei der Straßenverkehr, konstatiert der Bericht. Auf ihn entfallen allein 59 Prozent der Stickstoffemissionen, 19 Prozent der Schwebekörper und 16 Prozent des Feinstaubs. Wohnbauten verursachen 33 Prozent des Feinstaubs und 48 Prozent der Schwebstoffe, die Industrie ist für 21 Prozent des Stickstoffs, 23 Prozent der Schwebstoffe und 31 Prozent des Feinstaubs verantwortlich und verursacht außerdem 41 Prozent der Schwefelemissionen. Auf die Landwirtschaft entfallen ein Fünftel des Feinstaubs, ein Zehntel der Schwebekörper und dazu 97 Prozent des Ammoniaks in der Luft.

Die Senatoren machen auch Vorschläge, wie das Problem zu verkleinern wäre: So solle der »französischen Anomalie der Bevorzugung des Dieseltreibstoffs« ein Ende gemacht werden. Gegenwärtig werden 60 Prozent aller Personenautos und praktisch alle Lkw in Frankreich durch Dieselmotoren angetrieben. Die Senatoren fordern die Regierung auf, bis 2020 stufenweise die Steuer auf Dieseltreibstoff anzuheben und damit den Preis an den von Benzin anzugleichen. Im Schnitt ist Diesel um 17 Cent pro Liter billiger als Benzin.

Der Bericht wurde von den 17 Senatoren der Untersuchungskommission, die alle Parlamentsfraktionen vertraten, einstimmig angenommen - was nur selten der Fall ist. Wohl nicht zuletzt aufgrund des großen Medienechos auf den Bericht hat Umweltministerin Ségolène Royal umgehend angekündigt, »in allernächster Zeit energische Maßnahmen zu ergreifen«. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat schon vor Monaten im Stadtrat durchgesetzt, dass bis 2020 alle Dieselfahrzeuge aus den Straßen verbannt werden. Seit Juli gilt das bereits für Lkw und Busse, die vor dem 1. Oktober 2001 zugelassen wurden.

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