Radikalkur bei RWE

Konzern versucht bei der Energiewende wieder Fuß zu fassen

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Energieriese RWE versucht eine Neuorganisierung. Für die Kommunikation mit den Kommunen entsteht ein Extra-Gremium.

Außer vom RWE-Chef Peter Terium selbst gab es Lob von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz für die zu Wochenbeginn beschlossene »Radikalkur« beim Energiekonzern. Der Aktienhändlerverband nannte es gar eine »Revolution«, was RWE bis Anfang 2017 plant. Wer RWE-Anteile besitzt, hat eine gewisse Leidensgeschichte hinter sich: Der Wert der Aktie hat sich von 50 Euro Ende 2010 auf derzeit unter 20 Euro mehr als halbiert.

Terium sprach gegenüber Journalisten lieber von »Vereinfachung«, von einer »Simplifizierung« des Konzerns gar und ging ganz im Werbesprech auf: Man wolle näher an den Kunden ran und schneller werden.

Was die bisherige RWE-Bürokratie betrifft, werden erhebliche Schneisen in den Dschungel von Zuständigkeiten und Töchterfirmen geschlagen. Bei der Präsentation der Neuorganisation lieferte RWE beeindruckende Grafiken, die eine Reduzierung der Aufsichtsratsgremien um 70 Prozent (von zehn auf drei), der Aktiengesellschaften um 60 Prozent (von fünf auf zwei) sowie der Tochter-GmbH um 30 Prozent (von 90 auf 60) veranschaulichten. Die Verschlankung bedeutet zudem eine Machtkonzentration in der bisherigen, über allen AG und Töchtern thronenden Management-Holding. Die soll sich nun direkt ins operative Geschäft einmischen und bekommt dafür den Vertrieb und den Netzbereich hinzu.

Rein finanziell bringt das nicht so viel: Der RWE-Chef sprach von einem »niedrigen zweistelligen« Millionenbetrag, der jedes Jahr eingespart werde. Das sind Peanuts - verglichen mit den bis zu zwei Milliarden Euro jährlich, die bereits 2014 und 2015 beschlossene Effizienzprogramme bringen sollen.

Das Hauptproblem, mit dem RWE wie andere Energiekonzerne zu kämpfen hat, ist der tiefe Fall des Strompreises. Terium selbst beklagte im jüngsten Geschäftsbericht, die Megawattstunde Strom habe an der Börse 2012 noch 49 Euro gekostet und 2014 nur noch rund 32 Euro. Am Dienstag waren für die Megawattstunde, die man im September 2015 geliefert haben will, nur etwa 33 Euro zu bezahlen.

Insofern verwundert es, dass der Konzern trotz Radikalkur gerade beim kränkelnden atomar-fossilen Kraftwerksbereich RWE Generation vorerst alles beim Alten belässt und nur dessen Chef in den Konzernvorstand hievt. Dasselbe gilt für die RWE-Ökostromtochter Innogy. Der große Konkurrent E.on dagegen spaltet sich konsequent in zwei neue Firmen auf - in eine atomar-fossile sowie eine erneuerbare. Sich so der Altlasten zu entledigen, halten viele Experten für zumindest renditeträchtiger.

Terium verteidigte sein Vorgehen unter anderem damit, dass es wegen atomrechtlicher Genehmigungen und nuklearer Risiken schwierig sei, RWE Generation mit dem Gesamtunternehmen zu verschmelzen. Man werde allerdings »kontinuierlich prüfen«, welche Kraftwerke noch rentabel sind, damit RWE Generation eine »Schwarze Null« halten könne.

Auch die Option, den konventionellen Kraftwerksbereich abzuspalten, hält sich der RWE-Chef ausdrücklich offen. Diese Karte könne der Konzern »zu jedem Moment« ziehen, falls sich die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter verschärfen sollten, warnte Terium.

Ob das atomar-fossile Geschäft künftig noch allein bestehen kann, daran hegt offenbar auch Terium Zweifel. Denn eine weitere Option ist für ihn die Zusammenlegung von RWE Generation mit Innogy. Die Größen der beiden Unternehmensteile unterscheiden sich allerdings erheblich. Innogy verfügt gerade mal über rund 3100 Megawatt, RWE Generation dagegen über mehr als 44 000 Megawatt.

Weil bei RWE ohne die kommunalen Anteilseigener nichts geht, bemühte sich Terium, deren Bedenken gegen die Radikalkur zu zerstreuen. So würden alle Standorte erhalten bleiben und damit auch Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Weil wegen der 90 gestrichenen Aufsichtsratsmandate auch viele kommunale Vertreter aus den Gremien herausfallen, sorgt der Konzern für einen Ausgleich. Terium kündigte die Gründung von International Business Councils an. In diesen Gremien wolle man mit den Kommunen auf Augenhöhe reden.

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