In Wismar liegen zwei »Mistral«-Probleme

Das EU-Embargo und Moskaus Eisbrecher-Bestellung

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Die EU hat wegen der Krim-Annektion und der Unterstützung ukrainischer Rebellen ein Exportverbot für Rüstungsgüter nach Russland verhängt. Deutschland umgeht es.

Die Schiffe heißen nicht »Sewastopol« und »Wladiwostok«. Sie sind auch keine Hubschrauberträger. Es handelt sich um zwei baugleiche eisbrechende Rettungs- und Bergungsschiffe. Sie wurden im Februar auf die Namen »Beringow Proliw« und »Murman« getauft. Derzeit liegen sie - fast fertig - am Wismarer Werftkai der Nordic Yards. Die einstige Mathias-Thesen-Werft Wismar ist der größte Arbeitgeber der Stadt. Nach langen Pleitestrecken versucht man sich nun mit Spezialschiffen für den nordischen Bereich zu behaupten

Das hat bislang niemanden gestört. Doch dann fragte der Linksfraktionsabgeordnete Jan van Aken die Bundesregierung nach dem derzeitigen Stand der Rüstungsexportgenehmigungen. In der Antwort machte eine Summe stutzig: 118 062 133 Euro. So hoch ist der Rüstungsexport in die Russische Föderation angesetzt. Die Regierung erklärt: »Für Russland wurden zwei Eisbrecher mit militärischer Schutzausrüstung genehmigt. Es handelt sich um einen Altfall im Sinne der Embargoregelungen.«

Lassen wir mal dahingestellt, dass zwei Spezialschiffe von der Regierung einfach zu simplen »Eisbrechern« umdeklariert wurden. Es handelt sich um Rüstungsexporte, sonst wäre keine Genehmigung notwendig gewesen. Der Hinweis auf einen »Altfall«, also ein Geschäft, das vor der Embargo-Übereinkunft der EU-Staaten geschlossen wurde, ist fragwürdig. Auch die beiden von Frankreich für Russland gebauten Hubschrauberträger vom Typ »Mistral« waren »Altfälle«. Dennoch setzten die USA und andere EU-Staaten Paris so lange zu, bis der Vertrag vor wenigen Tagen gekippt wurde. Selbst wenn - wie jetzt kolportiert wird - Ägypten und Saudi-Arabien möglicherweise die Schiffe erwerben, der Schaden für den französischen Staat ist enorm. Und was sollte Ägypten mit Eisbrechern, oder - wie so Werft-Geschäftsführer Igor Chanukowitsch Jussufow sagt - den »modernsten und hochspezialisiertesten Rettungsschiffen der Welt« anfangen? Schollen schieben im Suez-Kanal? Oder »den Meeresboden sowie beschädigte Objekte in Tiefen von bis zu 1000 Metern« untersuchen?

Nun kann man berechtigt einwenden, dass es einen großen Unterschied zwischen den militärgrauen amphibischen Trägern vom »Mistral«-Typ und den beiden knallroten Rettungsschiffen aus Wismar gibt. Doch letztere sind zumindest dem sogenannten »Dual-use«-Bereich zuzuordnen. Und in der EU gilt gleiches Recht für alle. Zudem geht es um strategische Entwicklungen. Moskau plant in der arktischen Region insgesamt zehn Such- und Rettungsstationen, 16 Tiefwasserhäfen, 13 Flugplätze und zehn Radarstationen sowie Luftabwehranlagen einzurichten. Ähnlich strategische Interessen haben auch die NATO-Staaten Dänemark, Norwegen, Kanada und die USA.

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