Flüchtlinge vom Balkan

Sie scheinen der deutschen Politik größte Probleme zu bereiten, doch warum eigentlich?

  • Lesedauer: 3 Min.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nennt das Taschengeld für Flüchtlinge eine »Zumutung für den Steuerzahler«. Ist Taschengeld eine wohltätige Gabe des Staates? Wieso werden immer wieder Flüchtlinge vom Balkan in diesem Zusammenhang genannt? Einige Fakten zur Erklärung:

Was erhalten Asylbewerber für Leistungen?
Asylbewerber erhalten 143 Euro im Monat zusätzlich zu Verpflegung und Unterkunft. Die Leistungen resultieren aus dem Anspruch, jedem Menschen eine existenzsichernde Grundversorgung zu gewährleisten. Auch abgelehnte Asylbewerber und Geduldete erhalten deshalb diese Leistung.

Wer legt die Höhe des Taschengelds für Flüchtlinge fest?
Die Höhe der Zuwendungen ist im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2012 das seit 1993 unverändert gebliebene Leistungsniveau für verfassungswidrig erklärt hatte, trat am 1. März 2015 eine novelliertes Gesetz in Kraft, welches das Leistungsniveau an der Sozialhilfe ausrichtet. In vielen Fällen, etwa der medizinischen Versorgung, bleibt es jedoch weiterhin unter dem Niveau der Krankenversicherung.

Wieso stehen Asylbewerber aus Balkanstaaten derzeit im Fokus der Debatten über angeblichen Leistungsmissbrauch?
Flüchtlinge aus den Balkanstaaten gelten in der Mehrzahl nicht als politisch Verfolgte, sondern als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge. Sie werden deshalb den Kriegsflüchtlingen etwa aus Syrien gegenübergestellt - mit dem Ziel, ihren Anspruch auf Asyl in Frage zu stellen.

Was hat es mit den sogenannten Staaten vom Westbalkan auf sich?
Es handelt sich um Albanien sowie die ehemaligen Staaten Jugoslawiens - ohne Slowenien. Nachdem im vergangenen Jahr bereits Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden, ist nun die Erweiterung der Liste um die drei Länder Kosovo, Albanien und Montenegro geplant. In solche Länder sind schnelle Abschiebungen möglich.

Wie viele Flüchtlinge kommen vom Balkan?
Im ersten Halbjahr dieses Jahres kamen rund 83 000 Flüchtlinge aus den Balkanstaaten - der überwiegende Teil aller Flüchtlinge aus Europa (rund 90 500).

Welche Chance haben Asylbewerber vom Balkan, als Flüchtlinge anerkannt zu werden?
Schlechte. Asylanträge aus dem Kosovo in Deutschland 2014 eine Anerkennungsquote von lediglich 1,7 Prozent. Bei jenen aus Albanien waren es nur knapp 2,5 Prozent. Migrationspolitiker verweisen darauf, dass die Anerkennungsquoten in anderen europäischen Ländern viel höher sind. Die Quote der Bleibeberechtigten aus Kosovo ist etwa in Frankreich mit 9,6 Prozent mehr als fünfmal so hoch wie in Deutschland.

Wovor fliehen die Menschen?
Neben wirtschaftlicher Not in Teilen des einstigen Jugoslawien sind auch Verfolgung und Diskriminierung Gründe - vor allem Roma sind hiervon betroffen. Von den Kosovaren, die 2015 einen Antrag auf Asyl gestellt haben, gehören überdurchschnittlich viele der Roma-Minderheit an: Während sie in Kosovo rund zwei Prozent der Bevölkerung stellen, liegt ihr Anteil bei den Antragstellern in Deutschland bei rund neun Prozent.

Welchen Benachteiligungen sind Roma in ihren Ländern ausgesetzt?
Die EU-Kommission hat in ihrem Bericht zur Visaliberalisierung festgestellt, dass Roma in allen Balkanstaaten einer umfassenden Diskriminierung ausgesetzt sind, die sie an der Ausübung von Grundrechten wie Zugang zu Bildung und Ausbildung, Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt hindert. Der serbischen Regierung zufolge leben rund 60 Prozent der 450 000 Roma in Serbien in unsicheren und unhygienischen Verhältnissen; 30 Prozent haben keinen Zugang zu Trinkwasser; 70 Prozent keinen Zugang zur Kanalisation. nd

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