Ungarns Polizei sperrt Budapester Bahnhof

Flüchtlinge wurden nicht mehr eingelassen / Politiker wegen Durchschneidens des Zauns festgenommen

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Budapester Ostbahnhof wurde gesperrt, trotzdem verließen tausende Flüchtlinge Ungarn mit Reiseziel Deutschland. Bundeskanzlerin Merkel sieht Brüssel in der Pflicht.

Budapest. Trotz des Flüchtlingsandrangs auf Züge mit dem Ziel Deutschland oder Österreich hat die ungarische Polizei am Dienstagmittag den wichtigsten Fernbahnhof von Budapest geräumt und den Zugverkehr vorübergehend gestoppt. Anschließend gab es vor dem Keleti-Bahnhof spontane Proteste Hunderter Flüchtlinge, die »Germany! Germany!« skandierten. »Warum können uns die Ungarn nicht einfach durchlassen?«, sagte der 31-jährige Afghane Haidar gegenüber Reportern und zerriss sein Zugticket. »Ich habe vier Monate als Übersetzer für die US-Armee gearbeitet. Ich bin seit fünf Uhr hier.« Später öffnete die Polizei den Bahnhof wieder für Inhaber von Fahrkarten und EU-Visa. Flüchtlinge mussten aber weiter draußen bleiben.

Bis zum Dienstagnachmittag sind rund 2200 Schutzsuchende aus Ungarn in Bayern angekommen. Sie seien in mehr als einem Dutzend verschiedenen Zügen aus Österreich eingereist, erklärte ein Sprecher der Bundespolizei. Für den Rest des Tages wurden noch einmal mehr als zehn Züge erwartet. Bereits am Montag waren allein am Münchner Hauptbahnhof rund 1500 Flüchtlinge angekommen. Die Menschen werden im Freistaat in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht und versorgt. Am Donnerstag will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit dem ungarische Regierungschef Viktor Orban über die jüngste Zuspitzung der Flüchtlingskrise beraten.

Nach dem Tod von 71 Flüchtlingen in einem in Österreich abgestellten Lastwagen sind nach Informationen aus Bulgarien insgesamt sieben Personen in Haft. Ein Mann sei jetzt in Bulgarien und ein zweiter in Ungarn gefasst worden, teilte eine Sprecherin der zuständigen österreichischen Staatsanwaltschaft am Dienstag mit.

Die ungarische Polizei hat unterdessen den Oppositionspolitiker György Kakuk wegen Durchschneidens des Stacheldrahtzauns an der Grenze zu Serbien festgenommen. Kakuk, Präsidiumsmitglied der Demokratischen Koalition, ging am Dienstag zusammen mit der serbischen Journalistin Milica Mancic Stojkovic mit einer Zange symbolisch gegen die Sperre vor, berichtete das Internetportal szegedma.hu. Im Juni 1989 war der ungarische Außenminister Gyula Horn international gefeiert worden, als er in einem symbolischen Akt den Grenzzaun zu Österreich durchschnitt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die EU-Kommission indes zum Handeln auf: Europa brauche eine gemeinsame Asylpolitik - mit Registrierungszentren für Flüchtlinge in Griechenland und Italien, einer einheitlichen Einstufung sicherer Herkunftsländer und fairer Verteilung von Asylbewerbern auf alle 28 EU-Mitgliedstaaten.

Derweil will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Asylbewerber durch einen Ausbau von Sprachkursen und Vermittlungsprogrammen effizienter in Arbeit bringen. Die Ministerin kalkuliert für entsprechende Maßnahmen mit bis zu 3,3 Milliarden Euro mehr im kommenden Jahr. Agenturen/nd Seiten 4 und 6

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal