nd-aktuell.de / 04.09.2015 / Politik / Seite 16

Stress über Arbeitszeit

Linke Politiker fordern Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich / Arbeitgeber und CDU »Flexibilisierung«

Aert van Riel
In der Debatte um das Arbeitszeitgesetz werden Differenzen zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD deutlich.

Arbeitsministerin Andrea Nahles hat zurückhaltend auf Forderungen nach Änderungen am Arbeitszeitgesetz reagiert. Nach Angaben der SPD-Politikerin seien diese aktuell nicht geplant. Ende 2016 will ihr Ministerium ein »Weißbuch« herausgeben. Dort sollen Fakten und Einschätzungen zu dem Thema gesammelt werden. Letztere haben Unternehmensverbände bereits vorgelegt. Sie wollen statt einer Arbeitszeithöchstgrenze von acht Stunden pro Tag eine wöchentliche Maximalgrenze definieren und begründen dies mit neuen betrieblichen Abläufen durch die Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeit. Neoliberale Politiker von CDU und CSU sind nicht abgeneigt. Dagegen fürchten die Gewerkschaften den Abbau von Schutzrechten der Arbeiter.

Derweil fordert der linke Flügel der SPD Entlastungen für die Beschäftigten. Eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist im Gespräch. Dies wurde auch im SPD-Grundsatzprogramm von 1989 angestrebt. Doch heute dürfte eine deutliche Reduzierung der Arbeitszeit bei den Sozialdemokraten keine Mehrheit mehr finden. Radikalere Forderungen sind im Wahlprogramm der LINKEN zu lesen. Demnach soll das Arbeitszeitgesetz so geändert werden, dass die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit von derzeit 48 auf höchstens 40 Stunden gesenkt wird. Dafür müssten Ausnahmeregelungen reduziert sowie Überstunden begrenzt werden. Zudem fordert die LINKE stärkere gesetzlich vorgeschriebene Kontrollen, insbesondere durch unabhängige Arbeitnehmervertretungen. Perspektivisch soll aus Sicht der Linkspartei die Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich verkürzt werden. Das Ziel sei es, den achtstündigen Arbeitstag durch einen sechsstündigen zu ersetzen. Durch diese Aufteilung der Arbeit könnten auch zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.

Auch die Grüne Jugend hatte bei einem Kleinen Parteitag im April eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert. Doch dieser Antrag wurde abgelehnt. Die Grünen wollen vielmehr die Einteilung der Arbeitszeit flexibler gestalten. Vielen Menschen gehe es in erster Linie darum, selbst entscheiden zu können, wann sie ihre Arbeit erledigen, meinen die Grünen. Davon sollen vor allem Familien mit Kindern profitieren. Es wird gefordert, dass Eltern nach der Reduzierung ihrer Arbeitszeit das Rückkehrrecht auf Vollzeit erhalten. Allerdings wollen die Grünen den Unternehmen nicht allzu strenge Vorschriften machen. Die Partei wünscht eine »neue faire Balance zwischen den Anforderungen der Unternehmen und den Erwerbswünschen der Menschen«. Ein schlüssiges Konzept will eine Arbeitsgruppe der Bundestagsfraktion in diesem Monat vorlegen.

Die SPD hat ebenfalls besser verdienende Paare mit Kindern im Blick. Ministerin Manuela Schwesig will eine »Familienarbeitszeit« von rund 30 Wochenstunden für beide Elternteile durchsetzen. Danach sollen Eltern, die beide unterhalb der Vollzeitschwelle arbeiten, einen Partnerschaftsbonus erhalten. Die Union lehnt ein solches Modell aber ab.