Himmlisches Freundschaftsspiel

Netzwerk zwischen Toren: Imame und Pfarrer treffen sich regelmäßig zum Fußball

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum zehnten Mal trafen sich Pfarrer und Imame zu ihrer alljährlichen Fußballbegegnung, um so wieder einmal ein Zeichen für Toleranz zu setzen.

Am Rand des Fußballfeldes schwingt Andreas Goetze die Fußspitzen an die Hände. Der Landespfarrer für interreligiösen Dialog steht an diesem Samstagnachmittag für die christlichen Theologen im Tor. Die anderen Pfarrer in blauen Trikots bilden einen Kreis und besprechen letzte Änderungen in der Aufstellung. Kurz vor Anpfiff kommen dann auch die Imame aus der Umkleidekabine.

Das Spiel dauert zwar keine 90 Minuten, und auch die Fans sind nicht gerade zahlreich erschienen. Dem Ehrgeiz tut das keinen Abbruch. Die Geistlichen schenken sich bei diesem himmlischen Freundschaftsspiel nichts, sie liefern sich beherzte Kopfballduelle und auch das ein oder andere Foul.

Das interreligiöse Fußballturnier hat Tradition. Zum zehnten Mal treffen sich Pfarrer und Imame in diesem Jahr auf dem Rasen, um ein Zeichen für Toleranz zu setzen. »Wir wollen zeigen, dass Religionen friedlich miteinander umgehen können«, sagt der Vorsitzende des Islamrates Burhan Kesici.

Eine Premiere sind die Spiele von vier Flüchtlingsmannschaften, die vor dem Turnier der Theologen stattfinden. »Wir haben uns ganz bewusst entschieden, Flüchtlinge einzuladen, die einen unklaren Aufenthaltsstatus haben«, sagt Pfarrer Goetze. Man wolle ihnen damit sagen: Ihr seid Menschen, ihr habt Würde, ihr seid Willkommen.

Die »Champions ohne Grenzen« sind so eine Flüchtlingsmannschaft, die an diesem Nachmittag auf dem Sportplatz in der Züllichauer Straße antritt. »Wir kommen aus ganz unterschiedlichen Ländern«, erzählt ein Spieler aus Algerien. Seit drei Jahren trainieren die Flüchtlinge in Kreuzberg. Man habe sich über das Training hinaus angefreundet und versuche, sich bei Problemen zu unterstützen. Mittlerweile gibt es auch Kinder- und Frauenmannschaften.

»Viele Flüchtlinge wollen Fußball spielen, auch gerne professioneller und in regulären Vereinen«, erzählt Arne Sprengel, einer der Initiatoren von »Champions ohne Grenzen«. Die bürokratischen Hürden seien aber enorm hoch. Insbesondere bei Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus sei den Vereinen der Aufwand oft zu groß. »Dabei gibt es bei uns einige, die in ihrem Heimatland sogar in der ersten Liga gespielt haben«, sagt Sprengel. Auch der Präsident des Berliner Fußballverbandes sieht das Problem der überbordenden Sportbürokratie. Fußball habe nach wie vor eine integrative Wirkung und könne Differenzen überwinden, meint Bernd Schultz. »Leg einen Ball in die Mitte und die Menschen verstehen sich.« Er sieht, dass viele Vereine in Berlin helfen wollen, die ankommenden Menschen einzubinden. Aufgrund der strikten Formalien sei das aber nicht immer möglich. »Zumindest haben wir es geschafft, die Regularien für die unter 12-Jährigen außer Kraft zu setzen«, so Schultz.

Der Schlusspfiff ertönt und die etwas betagteren Pfarrer joggen keuchend vom Feld. Sie haben gewonnen, mit einem Tor Vorsprung, aber das Ergebnis scheint ohnehin niemanden zu interessieren. »Ich werte das als Erfolg«, sagt Kesici lachend. Immerhin hätten die Pfarrer bei der ersten Begegnung noch mit 17 Toren vorne gelegen.

Der Vorsitzende des Islamrates und Landespfarrer Goetze verabschieden sich mit einem langen Händeschütteln. Man müsse sich in der nächsten Woche noch einmal zusammensetzen, um gemeinsam die Hilfe für Flüchtlinge zu besprechen. »Durch dieses jährliche Fußballspiel haben wir einen viel kürzeren Draht zueinander«, sagt Kesici. Goetze findet, dass interreligiöse und interkulturelle Kompetenzen angesichts der vielen ankommenden Flüchtlinge umso wichtiger werden. »Je mehr die Leute über die Religion und Kultur der anderen lernen, desto weniger werden sie pauschal über fremde Menschen und deren Glauben urteilen.«

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