EU flieht aus der Flüchtlingspolitik

Ruf nach Systemwechsel und Sondergipfel / Liste »sicherer Herkunftsländer« und Quoten im Gespräch

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Tausende Flüchtlinge sind aus Ungarn ausgereist. Doch eine langfristige Lösung muss die EU noch finden.

Berlin. Wie Österreichs Außenminister Sebastian Kurz am Sonntag aussprach, müsse Europa einen grundlegenden Systemwechsel seiner Flüchtlingspolitik vornehmen. Sein Bundeskanzler Werner Faymann rief zu einem EU-Gipfel nach einem Treffen der Innenminister am 14. September auf. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Luxemburg, die EU-Staaten könnten »bereits Anfang Oktober« in der Lage sein, einen »Europäischen Rat durchzuführen«. Zuvor hält EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch seine jährliche Grundsatzrede, in der es vor allem um die Flüchtlingspolitik gehen soll.

Die Hilfe in der Notlage vom Wochenende sei verbunden gewesen mit der dringenden Mahnung, »daraus gerade keine Praxis für die nächsten Tage zu machen«, stellte Steinmeier klar. Die Hilfe sei vielmehr »Erinnerung daran, dass die Verpflichtungen auch für Ungarn aus dem Dubliner Abkommen nicht etwa aufgehoben sind«. Auch die ungarischen Behörden verkündeten, der Einsatz von Bussen zur Fahrt an die österreichische Grenze sei eine »einmalige« Aktion gewesen.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) lobte den Umgang Deutschlands und Österreichs mit Flüchtlingen aus Ungarn als »politische Führerschaft auf der Grundlage humanitärer Werte«. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl attestierte der Bundesregierung einen »großartigen Akt der Humanität« und sprach von einer »Bewährungsprobe« in Europa.

Eine Liste der EU-Kommission mit »sicheren Herkunftsländern« von Flüchtlingen, die am Mittwoch dem Europaparlament vorgelegt werden soll, wurde schon am Sonntag bekannt. Nach Medienberichten gehe es dabei um die Staaten des westlichen Balkans wie auch die Türkei. Deutschland führt bisher nur Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer. Ob auch Albanien, Montenegro und Kosovo so eingestuft werden, ist umstritten. Gleichzeitig wird weiter über die Verteilung von Flüchtlingen nach einem festen Schlüssel auf alle EU-Staaten debattiert. Die EU-Kommission will laut Medienberichten nun insgesamt 120 000 Flüchtlinge umverteilen, wobei Deutschland mit 31 000 Menschen die meisten aufnehmen solle.

Gegen eine feste Quote bei der Flüchtlingsverteilung wehrten sich weiterhin vor allem osteuropäische Mitgliedstaaten. Ein EU-Außenministertreffen am Samstag in Luxemburg machte deutlich, dass noch Wochen, wenn nicht Monate bis zu einer Einigung vergehen könnten. »Es ist an der Zeit, Entscheidungen zu treffen und diese Entscheidungen umzusetzen - gemeinsam als Europäer«, mahnte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Sie fügte hinzu: »Wir sind alle mit einer dramatischen Situation konfrontiert, die uns noch lange beschäftigen wird.«

Papst Franziskus rief alle katholischen Gemeinden in Europa auf, eine betroffene Familie aufzunehmen. Vor der Küste Zyperns wurden am Samstagabend 114 Bootsflüchtlinge gerettet, darunter 54 Frauen und Kinder. Agenturen/nd

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