nd-aktuell.de / 10.09.2015 / Kultur / Seite 16

Phantastische Zone

Jeff Vandermeers Southern-Reach-Trilogie ist jetzt komplett

Florian Schmid

Eine Romantrilogie innerhalb eines halben Jahres in drei Teilen herauszubringen, ist eher ungewöhnlich. Im vorigen Herbst erschien im Verlag Kunstmann »Auslöschung«, der Auftakt von Jeff Vandermeers phantastischer Southern-Reach-Trilogie, dieses Frühjahr folgten »Autorität« und »Akzeptanz«.

Die drei Romane, insgesamt knapp tausend Seiten (auch im amerikanischen Original in kurzer Abfolge publiziert), erzählen von einer phantastischen Zone an der Küste eines südlichen US-Staates. Dort sind Naturgesetze außer Kraft gesetzt und bedrohliche Monster treiben ihr Unwesen. Ob es sich bei der Zone, auch Area X genannt, die durch eine unüberwindbare unsichtbare Grenze abgetrennt vom Rest der Welt und nur an einer Stelle passierbar ist, um den Fall Out eines Alien-Besuchs oder um geisterhaften Spuk handelt, bleibt offen.

Jeff Vandermeer bietet in seinem Hybrid aus Fantasy und Science-Fiction keine wissenschaftsfiktionalen Erklärungen an, wie in diesen Genres sonst üblich. Vielmehr fährt er ein komplexes Personal auf, das mit der Zone aus unterschiedlichen Gründen zu tun hat, in ihr lebt, sie erforscht, von ihr besessen ist oder sich einfach unwiederbringlich in ihrer Gewalt befindet. Im ersten Teil steht eine Biologin im Mittelpunkt, die auf einer Expedition durch Area X verloren geht. Im zweiten Teil geht es um eine Behörde, die sich über Jahre hinweg wissenschaftlich mit der Anomalie auseinandersetzt und ihr Vorhandensein vor der Öffentlichkeit geheimhält. Offiziell ist die abgesperrte Zone ein durch einen Unfall verseuchtes Gebiet. Im dritten Teil beginnt die Zone sich dann auszubreiten. Ein letztes Aufgebot aus Wissenschaftlern versucht, dem Einhalt zu gebieten.

Jeff Vandermeer versteht sich darauf, diese Geschichte spannend und sprachlich beeindruckend in Szene zu setzen. Zutiefst verunsichert und verängstigt marschieren seine Figuren durch die immer gruseliger werdende Zone, die an einen aus den Fugen geratenen tropischen Park erinnert. Wenn die Sterne am nächtlichen Firmament immer wieder in aberwitziger Geschwindigkeit über den Himmel jagen, stellt sich die Frage, ob die Zone nicht vielleicht doch als Blase durch den Weltraum eilt oder in einer ganz anderen Dimension steckt. Vandermeer lässt die Zone und seine Figuren umeinander kreisen. Gleichzeitig versucht er, das sprachlich eigentlich nicht Fassbare seiner phantastischen Welt auszudrücken, in der Wände zu leben beginnen, Pflanzen mitunter nicht sterben können und Menschen von Lichtwellen durchströmt werden oder sich in horrorartige Monster verwandeln.

Eindeutig definierte moralische Gegensätze im Sinn von Gut und Böse gibt es dabei nicht, insofern ist die Southern-Reach-Trilogie dann doch mehr Science-Fiction als Fantasy. Motivisch und dramaturgisch erinnert diese Prosa an die Kultfernsehserie »Lost«, in der eine Reihe Menschen auf einer eigenartigen Insel festsitzt. Mit fast filmischen Mitteln setzt Vandermeer perspektivische Schnitte und Wechsel ein, um die Geschichte aus den unterschiedlichen Blickwinkeln aller Figuren zu erzählen. Das verleiht der Trilogie ein unglaubliches Tempo und steigert enorm die Spannung, die bis ganz zum Schluss erhalten bleibt, wenn sich die einzelnen Teile wie in einem Puzzle zusammenfügen.

Jeff Vandermeer: Autorität. 368 S. Akzeptanz.[1] 337 S. Beide aus dem Englischen von Michael Kellner. Verlag Antje Kunstmann. je 18,95 €.

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